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Der Zeitplan für eine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament auf eine neue Finanzmarktaufsicht vor dem Sommer ist eng. In ihrem Kompromissvorschlag sind die Finanzminister den Abgeordneten zwar entgegengekommen. Doch ist nicht verwunderlich, dass die Experten des Parlaments das Paket ganz genau unter die Lupe nehmen wollen. Welche Durchgriffsrechte die neue EU-Bankenaufsicht tatsächlich bekommen soll, ist die große Frage. Denn wie in der EU üblich, haben die Minister der Öffentlichkeit nur ausgewählte Ausschnitte präsentiert.
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So meinte der britische Schatzkanzler George Osborne, die künftige EU-Behörde dürfe nur dann direkte Anweisungen an Banken geben, wenn die nationale Aufsicht mit ihrem Vorgehen klar gegen EU-Recht verstoße. Das trifft zwar inhaltlich zu, ist jedoch nur ein Drittel der neuen Befugnisse.
Denn zweitens könnte die neue EU-Aufsicht im Krisenfall direkte Weisungen an Banken erteilen und zum Beispiel besonders riskante Finanzgeschäfte vorübergehend verbieten. Darauf hatte Finanzminister Josef Pröll vor allem verwiesen. Kleiner Schönheitsfehler ist freilich, dass die Finanzminister selbst bestimmen wollen, wann eine solche Krisensituation vorkommt. Da solche Entscheidungen üblicherweise aber mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden, könnte Großbritannien (theoretisch) überstimmt werden.
Und drittens hätte die EU-Bankenaufsicht auch bei einem Streit zwischen zwei nationalen Aufsichtsbehörden das letzte Wort. Dabei handelt es sich um den klassischen Konflikt zwischen den Aufsehern aus dem Sitzland einer grenzüberschreitend tätigen Bank und den Behörden jenes Landes, wo sie Niederlassungen oder Töchter hat. Ein Beispiel wären unterschiedliche Meinungen zwischen der österreichischen FMA und dem italienischen Pendant, wenn es um Fragen der UniCredit und deren Tochter Bank Austria geht. Immer muss die EU-Behörde ihre Bescheide zuerst an die nationalen Aufsichten und erst in einem zweiten Schritt an die Banken schicken.
Punkt zwei und drei haben aus Sicht der EU-Aufsicht einen Nachteil, der Osborne zu seinen Aussagen verleitet haben dürfte. Bei Krisen und Streit sollen Mitgliedstaaten die EU-Weisungen an ihre nationalen Behörden beeinspruchen dürfen, wenn sonst Auswirkungen auf die Staatshaushalte die Folge wären. Was das genau heißt, ist unklar. Es handelt sich offenbar um eine nicht näher definierte Möglichkeit einer politischen Bremse für die geplante EU-Behörde, die sich Großbritannien auf Regierungschefebene zusichern hatte lassen. Die EU-Aufsicht wird so einerseits geschwächt. Andererseits ist das Verfahren der Vetomöglichkeit so kompliziert, dass sogar Binnenmarktkommissar Michel Barnier hofft, "dass dieses Instrument nie zum Einsatz kommt".
Siehe auch:EU-Aufsicht wird weiter verhandelt