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EU-Parlament startet überfällige Reform des Abrechnungsdschungels

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Nicht nur der österreichische EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin, dessen Immunität wegen eines Rechtsstreits aufgehoben wurde, hat immer wieder Spesenritterei im Europäischen Parlament angeprangert. Nach den jüngsten Vorwürfen will sich dieses Parlament nun dazu durchringen, seine extrem komplizierten Spesen-Regelungen zu reformieren. Für manche Parlamentarier könnte die kreative Abrechnung ihrer Zulagen aber noch strafrechtliche Folgen haben - auch wenn die geprüften Fälle schon fast vier Jahre zurück liegen.


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Konkret geht es um die Missstände bei der Gehaltsabrechnung der Assistenten von EU-Abgeordneten. Laut einem internen Prüfbericht, in dem 167 Zahlungen aus dem Jahr 2004 untersucht wurden, kassierten Parlamentarier die Zulagen, ohne einen Assistenten zu beschäftigen oder überwiesen das Geld an Unternehmen, die dafür offenbar keine Gegenleistung erbrachten.

Vertreter des Parlaments versuchten anfangs Verständnis für ein gewisses Umschichtungssystem zu erwecken: Schließlich verdienen die Abgeordneten aus manchen neuen Mitgliedsstaaten wie Lettland nur rund 1000 Euro pro Monat für ihre Arbeit in Brüssel, was tatsächlich eine etwas unglückliche Relation zur Sekretariatszulage von bis zu 16.000 Euro monatlich darstellt. Auf der anderen Seite wurde kolportiert, dass besonders die italienischen Volksvertreter zur Umschichtung neigten. Und die sind mit mehr als 13.000 Euro im Monat die Spitzenverdiener unter den EU-Abgeordneten. Ab den Europawahlen 2009 sollen aber ohnehin alle einheitlich 7000 Euro erhalten.

Der Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses und SPÖ-Europaabgeordnete Herbert Bösch hatte darauf verwiesen, dass in dem internen Bericht keine Namen genannt sind und darüber hinaus kein Betrugsverdacht bestehe. Diesen will die EU-Antibetrugsbehörde OLAF unter der Hand inzwischen nicht mehr ganz ausschließen. Sie hat den Bericht vom Parlament erhalten und Untersuchungen eingeleitet.

Das Hauptproblem ist jedoch, dass die gültigen Abrechnungsregeln Hürden beinhalten, die es selbst hartgesottenen Prüfern schwer machen, die Zahlungen nachzuvollziehen. So können die Abgeordneten ihre Assistenten über einen direkten Arbeitsvertrag, eine Zahlstelle oder einen Dienstleister anstellen. Dazu kommen für jeden der 27 Mitgliedsstaaten unterschiedliche Vertrags- und steuerrechtliche Anforderungen. Zentral bekannt ist nur, dass die 785 Parlamentarier gemeinsam rund 140 Millionen Euro für ihre Assistenten ausgeben.

Das Parlamentspräsidium fordert nun die Reform der Regeln - eine notwendige und längst überfällige Folgehandlung nach der Neuregelung der Gehälter. Am Ende sollen die Abrechungen der Assistenten nach einheitlichen Regeln vom EU-Parlament selbst verwaltet werden.

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