Verpflichtendes Register, Offenlegung der Finanzquellen. | Brüssel. 60 bis 80 Prozent der Gesetze in Europa werden bereits in Brüssel gemacht. An die 20.000 Lobbyisten versuchen bei den EU-Institutionen darauf Einfluss zu nehmen. Sie arbeiten für Konzerne, Branchen- und Industrieverbände, Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen, andere NGOs, Think Tanks, Anwaltskanzleien und immer öfter für auf Lobbying spezialisierte Agenturen. Ihre Tätigkeiten sollen jetzt transparenter gemacht werden, beschloss das EU-Parlament am Donnerstag mit einer deutlichen Mehrheit von 547 gegen 24 Stimmen bei 59 Enthaltungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
So verlangen die Abgeordneten ein gemeinsames verpflichtendes Register aller EU-Institutionen für die Interessensvertreter, die Offenlegung ihrer Finanzquellen und die Auflistung aller Lobbyisten, die an einem EU-Gesetz mitgearbeitet haben im Anhang des Rechtstextes - den sogenannten legislativen Fußabdruck. Der soll allerdings für das EU-Parlament einen freiwilligen Charakter haben, was in der EU-Kommission mit Stirnrunzeln betrachtet wird. Schließlich schlage die Kommission zwar alle Gesetze vor, die Bearbeitung finde jedoch im gemeinsamen Ministerrat der Mitgliedsstaaten und im Parlament statt, hieß es. Nur die Lobbyisten bei der Kommission anzugeben sei wohl kaum ausreichend. Angeblich haben sich vor allem deutsche EU-Abgeordnete massiv dafür eingesetzt, noch weiter reichende Regelungen des früheren Berichterstatters und heutigen finnischen Außenministers Alexander Stubb abzuschwächen.
Die im EU-Register eingetragenen Lobbyisten müssten sich an einen Verhaltenskodex halten, um nicht wieder ausgetragen zu werden. Gemäß Vorschlägen der EU-Kommission sollen sie "ehrlich handeln", immer "angeben, welches Interesse sie repräsentieren", "keine irreführenden Informationen verbreiten" und "keine Form von Anreizen anbieten, um Informationen zu erhalten".
Der Bericht des EU-Parlaments ist ein Beitrag zur von der Kommission angestoßenen Transparenzinitiative. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll die Machbarkeit und die Auswirkungen der Ideen der Abgeordneten bis Ende des Jahres ausloten. Mit den größten Widerständen wird aus dem Ministerrat gerechnet. Die Kommission will am 23. Juni ein eigenes freiwilliges Lobbyistenregister lancieren, wie es das Parlament schon seit rund zehn Jahren hat. Die rund 5000 dort eingetragenen Interessensvertreter erhalten im Gegenzug für ihre Registrierung einen Zugangspass für die Parlamentsgebäude.