USA wollen nun EU-Expertengruppe Auskünfte über Ausspähaktionen geben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel/Wien. Seit Auffliegen des NSA-Skandals zerbricht man sich in Europa die Köpfe, wie der alte Kontinent sich vor unerwünschten Zugriffen auf Daten seiner Bürger schützen kann. Am Donnerstag hat nun das Europaparlament ein Untersuchungsgremium installiert und einen Stopp von Datenlieferungen an die USA gefordert. In einer Entschließung werden die EU-Staaten aufgerufen, bei den Bemühungen zur Aufklärung der NSA-Affäre "alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen". Dazu gehöre etwa auch, Vereinbarungen über den Austausch von Fluggastdaten und ein Programm zur Aufspürung von Terrorfinanzierung auszusetzen.
Die USA zeigen sich indes zumindest teilweise einsichtig. Laut der derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden, Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, wollen die Amerikaner einer EU-Arbeitsgruppe von Experten Auskünfte über umstrittene Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes geben.
Die USA waren aber nicht das einzige Ziel der EU-Parlamentarier. Diese beklagten auch, dass "mehrere" Mitgliedsstaaten Überwachungsprogramme haben, die dem Programm Prism ähneln. Konkret wurden das britische Tempora-Programm angeführt, aber auch Systeme in Schweden, den Niederlanden, Deutschland und Polen.
Barnier fordert eigene Datenspeicher für Europa
Die EU-Kommission erklärte am Donnerstag, dass man die Unabhängigkeit der europäischen Telekommunikations-Infrastruktur verstärken wolle. "Wir müssen die strategische Autonomie Europas gewährleisten", betonte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier im Europaparlament.
Konkret nannte er die Errichtung von europäischen "Computerwolken" (Datenspeichern), das Satellitennavigationssystem Galileo (bisher nutzt man das vom US-Pentagon kontrollierte GPS), aber auch die Erhaltung von europäischen Telekommunikationsunternehmen. "Wenn es eine Lehre gibt aus der Affäre, dann jene, dass es den politischen Willen braucht, diese Unabhängigkeit zu wahren", unterstrich der Kommissar.
Heute läuft ein großer Teil der Daten im Internet über Server außerhalb Europas. Auch wenn in Österreich das Gros der physischen Telekommunikations-Infrastruktur A1 gehört und sich kleinere Anbieter bloß einmieten, sind in anderen europäischen Ländern diese Unternehmen oft privatisiert - und gehören zu Teilen ausländischen, etwa chinesischen Firmen. Sicherheitsexperten begrüßen die Vorschläge der EU-Kommission zwar, weisen jedoch darauf hin, dass nur ein eigenes Netz alleine zu haben nicht reiche. "Man muss auch noch in die Sicherheit investieren."
Was bringt ein eigenes, nationales Internet?
Über Überwachungssicherheit denkt aber auch Russland nach. In den letzten Tage tauchten wieder vermehrt Stimmen auf, die ein eigenes Internet für Russland fordern. Laut Alexander Klimburg, Cyberexperte beim Österreichischen Institut für Internationale Politik, macht dies aber kaum Sinn. "Ein eigenes Internet nützt der Sicherheit sehr wenig, würde aber dessen Zuverlässigkeit senken und gleichzeitig die Kosten steigern", sagt Klimburg. Heute würden Datenpakete im Netz auf dem billigsten Weg von Punkt A nach B geschickt, oft quer über den Globus. Wenn ein Land ein eigenes Internet hätte, dann würden einerseits Geheimdienste einfach die Anzapfungspunkte innerhalb dieses Staates setzen, sagt Klimburg. Fallen zudem die vielen weltweiten Anbieter, über die Datenpakete geschickt werden, aus - die günstigsten sitzen übrigens in den USA -, würde dies zu einer Verteuerung und einer geringeren Verlässlichkeit führen.