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EU peilt sanfte Umschuldung für Griechenland an

Von Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Juncker: Längere Laufzeiten der Staatsanleihen. | Berlin will Banken auf freiwilliger Basis beteiligen. | Brüssel. Eine Umschuldung Griechenlands beginnt sich immer stärker abzuzeichnen. Deren sanfteste Form - eine Fristerstreckung - scheint für einen Teil der horrenden Außenstände von derzeit rund 330 Milliarden Euro bereits vorbereitet zu werden.


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Denn von einem "Reprofiling" der griechischen Schulden war wiederholt rund um das Treffen der Finanzminister am Dienstag die Rede - neben dem Gemauschel um die IWF-Nachfolge. Die Fristerstreckung sei "eine Möglichkeit", so der Luxemburger Premierminister und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker ausdrücklich. Deutschlands Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen erläuterte, es handle sich dabei - "unabhängig vom Anlassfall" - um eine "reine Laufzeitverlängerung bereits bestehender Anleihen, ohne das Kapital oder die Zinssätze zu verringern." Der Begriff Umschuldung sei "im weitesten Sinne der Oberbegriff für jede Art von Schuldenoperationen".

Noch wollte sich Asmussen aber nicht darauf festlegen, ob es dazu auch kommen wird. Er skizzierte ein dreistufiges Konzept: Erstens müsse der Evaluierungsbericht der Expertenmission von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF in Athen abgewartet werden. Wegen der komplexen Probleme Griechenlands prüfen die Spezialisten um eine Woche länger und werden ihr Ergebnis erst nächsten Mittwoch vorlegen können.

Schon auf Basis des bisher vorliegenden Zwischenberichts ergebe sich aber zweitens, dass die Griechen ihre Anstrengungen erhöhen müssen, um die vereinbarten Bedingungen für die derzeit laufenden Hilfskredite erfüllen zu können. So müsse Griechenland vor allem bei den Privatisierungen Fortschritte erzielen und sein Haushaltsdefizit wie vereinbart reduzieren. Denn Athen hatte Privatisierungen im Umfang von 50 Milliarden Euro zugesagt und derzeit laut Asmussen "noch keinen Euro" eingenommen.

Um laut Sparprogramm bis 2014 wieder auf ein Budgetdefizit von unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung laut Stabilitätspakt zu gelangen, sollten die Griechen heuer ein Haushaltsminus von 7,4 Prozent erreichen. Tatsächlich steuern sie auf 9,5 Prozent zu. Das Land befinde sich auf einem Stand wie Österreich in den 1970er Jahren, habe sich in den Euro "hineingeschwindelt" und müsse daher eben jetzt seine Hausaufgaben machen, sagte die österreichische Finanzministerin Maria Fekter.

Private beteiligen

Falls diese zusätzlichen Anstrengungen der Griechen aber nicht ausreichen (was weithin erwartet wird), so müssten drittens weitere Maßnahmen "unter Einbindung Privater auf freiwilliger Basis" überlegt werden, meinte Asmussen ähnlich wie zuvor schon die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das dürfe nicht allein zu Lasten der Steuerzahler gehen. Als Option dafür nannte Juncker wohl nicht zufällig die Fristerstreckung für griechische Schulden. Betroffen wären zumindest jene Staatsanleihen Griechenlands in der Gesamthöhe von rund 33 Milliarden Euro, welche 2012 fällig und damit den Umfang der bisherigen Rettungskredite der Euroländer über 110 Milliarden Euro sprengen würden. Denn rund die Hälfte davon ist längst ausbezahlt, schon nächstes Jahr hätten die Griechen an den Finanzmarkt zurückkehren sollen. Bei derzeit astronomischen 16 Prozent Zinsen für griechische Staatsanleihen ist das aber ausgeschlossen.

Halten EU- oder Euroländer griechische Schuldverschreibungen, die 2012 auslaufen, können sie diese den Griechen in Eigenregie stunden. Um den Privatsektor - sprich: die Banken - an Bord zu bekommen, müssten sogenannte Gläubigerverhandlungen stattfinden. Für die Finanzinstitute wäre die Fristverlängerung immer noch die "angenehmste" Umschuldung; sie würde zwar ihren Gewinn schmälern, zöge jedoch keine unmittelbaren Zins- oder gar Kapitalabschläge ("Haircuts") nach sich. Um Letztere zu vermeiden, könnten die Banken mitmachen, so das Kalkül.

Und schließlich sei sogar über die Möglichkeit eines weiteren Rettungspakets für Griechenland debattiert worden, räumte Asmussen am Dienstag ein. Entscheidungen über das weitere Vorgehen werden erst für Juni erwartet. Eine "umfassende Umschuldung", schloss Juncker allerdings aus. Ratingagenturen hatten zuvor Abschläge von den Forderungen gegenüber Griechenland von bis zu 50 Prozent in den Raum gestellt.