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EU-Pläne: Angst vor Klageindustrie wie in den USA

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Kroes: Umstrittener Vorschlag für Sammelklagen. | Brüssel. Erster Härtetest für Jose Manuel Barroso als neu bestätigter EU-Kommissionspräsident: Nächsten Mittwoch will er einen heftig umstrittenen EU-Gesetzesvorschlag für Sammelklagen gegen Kartellsünder auf den Tisch legen - das letzte große Projekt seiner mächtigen Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die den Vorstoß schon gerne vor der Sommerpause präsentiert hätte. Doch nach heftiger Kritik aus Berlin und von der Europäischen Volkspartei hatte Barroso dies damals untersagt.


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Im Kern will Kroes Kartellsünder künftig noch kräftiger zur Kasse bitten. Jene, die durch überhöhte Preise durch die Absprachen geschädigt werden, sollten pauschal gegen die Firmen klagen können, die gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Schließlich betrage der Schaden durch Kartelle mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt die EU-Kommission. Geschädigte seien oft Verbraucher oder KMU, deren jeweiliger Einzelschaden eine Klage für sich oft nicht rechtfertige.

Doch was so plausibel klingt, lässt Industrieverbände und Parlamentarier seit Wochenbeginn rotieren: Denn nach dem letzten Entwurf, der der "Wiener Zeitung" vorliegt, will die EU-Kommission sogenannte Verbandsklagen einführen. Dabei dürfte der zur Klage autorisierte Verbraucher- oder KMU-Verband die Größe der Gruppe der Geschädigten selbst definieren und schätzen, ohne diese individuell auflisten zu müssen.

Industrie will Vorschlag noch verhindern

Möchte ein Geschädigter nicht vertreten werden, müsste er aktiv aus der Gruppe austreten. Dabei handelt es sich vom Prinzip her um die in den USA praktizierte Opt-out-Variante, mit der spezialisierte Anwälte pro Jahr 250 Mrd. Dollar umsetzen, wie Industrievertreter monieren. Sie fordern zumindest eine Beschränkung auf die sogenannte Gruppenklage, bei der Geschädigte sich aktiv darum kümmern müssen, in die Gruppe aufgenommen zu werden. Die einflussreichen CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab und Klaus-Heiner Lehne forderten: "Barroso muss Kroes stoppen!" Es gelte, eine Klageindustrie wie in den USA zu verhindern.

Bis Freitag oder allenfalls zur Sitzung der Kabinettschefs der EU-Kommissare am Montag wird der Druck auf Barroso zunehmen, den für Mittwoch auf die Agenda gesetzten Vorschlag noch zu verschieben.