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EU-Politiker sind Menschen

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Wer sagt, dass der EU-Wahlkampf fad ist und kaum jemand zur Wahl gehen wird? Im Vergleich zur Wassermacherei des Jahres 2004 spielen sich wahre Heldenszenen ab.


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Fast bei jedem Wahlgang blamieren sich Meinungsforschungsinstitute reihenweise - zuletzt geschah das bei der Kärntner Landtagswahl am 1. März. Ebenso regelmäßig freilich lässt sich das Publikum, aufgewühlt durch mediale Schlagzeilen, in die Irre führen. Mehrheitlich wird gern geglaubt, was sich im Nachhinein als falsch herausstellt.

Am Sonntag nörgelte die "Krone" wie üblich tendenziös und gut platziert neben einem Inserat des neuen ÖVP-Europäers Ernst Strasser vor sich hin: "Warum die EU-Wahl so furchtbar öde ist." Der Text dazu gibt keine befriedigende Antwort, schon eher das Foto von Strasser, der angestrengt dreinschaut. Der Mann hat es als Spitzenkandidat nicht leicht. Die Personalisierung im EU-Wahlkampf ist in voller Blüte, was will man mehr?

Besonders seriöse Politologen werden einwenden, die Personalisierung sei das moderne, fernsehgesteuerte Übel der Politik. Daran ist etwas Wahres, und selbst innenpolitische Journalisten, die das Jahr über fröhlich die politische Sache vernebeln und statt dessen Personendramen inszenieren, hört man in nüchternen Augenblicken seufzen: Wozu das Ganze?!

Ja, wozu, aber so läuft es nun einmal. Beim letzten EU-Wahlkampf im Jahr 2004 ist die politische Auseinandersetzung nicht viel weitergekommen als bis zu dem bis heute nicht eingetretenen Ausverkauf des klaren, angeblich jederzeit trinkbaren österreichischen Wassers. So viel Wasser ist um das Wasser selten gemacht worden.

Da wirkt es doch viel persönlicher, wenn einem jetzt die EU-Alphatiere der SPÖ, von Hannes Swoboda abwärts, rudelweise vom Laternenmast entgegen grüßen. Sie sind für Europa. Allerdings ohne genau zu wissen, ob ihre Partei überhaupt noch europatreu ist oder bei nächster Gelegenheit wiederum vor einer Massenzeitung in die Knie geht. Von links und rechts der Mitte drücken ihnen die Österreicher die Daumen.

Und Othmar Karas erst, der vom Sockel des Fraktionsführers gestürzte treueste aller ÖVP-Mannen und Frauen. Seit Parteichef Josef Pröll ihm den Ex-Minister Strasser vor die Nase gesetzt hat, entwickelt Karas Bärenkräfte. Er fuchtelt zwar nicht wie Siegfried in der Oper mit einem Schwert, schart aber auf seiner Website "karas-fuer-europa" Drachen tötende Anhänger um sich. Die Liste der Karas-Vorzugstimmenwerber wird immer länger - laut Karas "in neun Bundesländern, in Europa und der ganzen Welt".

Jede Partei wählt sich ihre Drachen selber. Johannes Voggenhuber, einst Aushängeschild der Grünen, wurde bereits in die Höhle getrieben. Dort hört man ihn ab und zu schnaufen, er rührt aber keine Pranke für seine ehemaligen Freunde.

Bezüglich der vierten gewichtigen Gruppe der Wahlwerber, der FPÖ, verlassen wir sicherheitshalber das Reich animalischer Fabelwesen. Die Lage ist dort zu ernst, aber doch voll personalisiert. Was immer Heinz-Christian Strache noch an Reimen bieten wird - sie klingen bereits so, dass selbst sein Parteifreund Andreas Mölzer sich ab und zu pro-europäisch klingende Statements abringt.

Was kann Besseres passieren vor einer Wahl? Es gibt Meinungen, die sich mit Köpfen identifizieren lassen. Wenn Köpfe gewählt werden, um Richtungen durchzusetzen, ist alles in Ordnung. Europapolitik wird via Personen zur Innenpolitik. Im Fall der EU kommt diese Möglichkeit bloß sehr überraschend daher - die Platzhirsche daheim haben ihre Europa-Frontkämpfer bisher einfach verhungern lassen. Zum ersten Mal geben diese aber kräftige Überlebenszeichen.