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EU-Präsidentschaft, bitte warten!

Von Stefan Brocza

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Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen. Er war an der Durchführung der beiden EU-Präsidentschaften 1998 und 2006 aktiv beteiligt.

Die Vorbereitungen auf die Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich nächstes Jahr laufen suboptimal.


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Der Vorsitz im Rat der EU wechselt alle sechs Monate - jeweils Anfang Jänner und Juli. Alle EU-Staaten sind also abwechselnd jeweils für sechs Monate für die Tagesordnung des Rates verantwortlich und führen den Vorsitz in fast allen EU-Ministerräten und bei hunderten Expertentreffen. Am 1. Juli 2018 übernimmt Österreich zum bereits dritten Mal, nach 1998 und 2006, diesen Vorsitz. Die Vorbereitungen dafür sollten längst begonnen haben - im Gegensatz zu den Vorsitzjahren 1998 und 2006 ist davon jedoch nicht viel zu bemerken.

Jene drei EU-Staaten, die innerhalb von eineinhalb Jahren den Vorsitz wahrnehmen, bereiten gemeinsam ein Arbeitsprogramm vor, das auf eine kontinuierliche Weiterführung der Gemeinschaftsagenden abzielt. Dieses 18-Monatsprogramm der drei Ratspräsidentschaften Estland, Bulgarien und Österreich für den Zeitraum von Juli 2017 bis Dezember 2018 ist also momentan in Ausarbeitung und soll am 1. Juli im EU-Rat "Allgemeine Angelegenheiten" veröffentlicht werden. Erstaunlicherweise wird über diese wichtige Vorentscheidung derzeit Stillschweigen gewahrt. Vom angekündigten "Spiel der freien Kräfte" keine Spur. Die an den Tag gelegte Schmallippigkeit lässt nichts Gutes ahnen.

Dabei gäbe es genügend wichtige Themen: die heiße Phase der Brexit-Verhandlungen, der Beschluss des ersten EU-Budgets 2019 ohne die Briten samt Vorarbeiten zum Mehrjahresrahmenbudget ab 2021, die Neuordnung der EU-Strukturpolitik, um nur einige zu nennen.

Schlimmer als die thematische Leere ist nur noch die organisatorische Nicht-Vorbereitung. Im Anschluss an Österreichs vergangene EU-Präsidentschaft stellte der Rechnungshof 2010 der österreichischen EU-Vertretung in Brüssel ein katastrophales Zeugnis aus: viel zu viel Personal, das zu wenig leiste. Insbesondere dem Außenministerium wurde empfohlen, doch endlich Möglichkeiten und Bereiche zu suchen, in die es sich stärker einbringen könne. Denn nicht nur, dass das Ressort nur von einem Bruchteil der EU-Belange thematisch tangiert wird, nein, in seiner Arbeit selbst sei das Ministerium auch noch unterdurchschnittlich produktiv. Es überrascht wenig, wenn man erfährt, dass den damaligen Empfehlungen bis heute nicht Rechnung getragen wurde.

Die Bereitschaft, sich aktiv in die Vorbereitungen der kommenden Ratspräsidentschaft einzubringen, war bereits vor dem offiziellen Ende der Bundesregierung bei allen Beteiligten nicht sehr stark ausgeprägt. Die zentralen Personen vermittelten zunehmend den Eindruck, dass diese politische Großaufgabe sie nicht mehr wirklich tangieren werde. Nach der Bekanntgabe des Neuwahltermins scheint nun klar, dass die Aufgaben einer EU-Ratspräsidentschaft tatsächlich einer neuen Bundesregierung zufallen werden. Europa wird sich darauf einstellen müssen, dass am 1. Juli 2018 eher politische Neulinge im jeweiligen österreichischen Ministeramt die Vorsitzführung in den Brüsseler Gremien übernehmen. Viel Zeit zur Einarbeitung oder gar zur thematischen Profilierung im Vorfeld werden sie bis dahin nicht haben. Als Motto für die kommende dritte EU-Präsidentschaft Österreichs drängt sich daher leider auf: Wird schon schiefgehen!