Zum Hauptinhalt springen

EU-Reformwerk: Nervosität wächst

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Vertrag soll politische Strukturen effizienter machen. | Kein Alternativszenario bekannt. | Brüssel/Lissabon. Es soll ein großer Festakt werden. Doch hinter den Kulissen herrscht Nervosität, wenn die 27 Staats- und Regierungschefs morgen, Donnerstag, nach fünf Jahren harter Verhandlungen den Lissabonner Vertrag unterschreiben. Der sieht eine Reform der EU vor, um diese fürs 21. Jahrhundert fit zu machen (siehe Artikel unten). Effizientere Entscheidungen, ein EU-Außenminister und mehr Einflussmöglichkeiten für das Europäische aber auch die nationalen Parlamente soll der Vertrag bringen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zwar wird für dessen Ratifizierung nur in Irland ein Referendum abgehalten. Doch selbst dort ist der Ausgang ungewiss. Manche Regierungen, die im Parlament ratifizieren wollen, stehen unter Druck. So hofft der britische Premier Gordon Brown, dass seine Mehrheit in der Volksvertretung bis zur Umsetzung des Vertrags spätestens Ende März 2008 hält. Seine Argumente gegen die Volksabstimmung sind vor allem umfangreiche Ausnahmeregelungen, die Großbritannien erhalten hat. So nimmt London künftig an der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik nur begrenzt teil, für die künftig keine Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten notwendig ist. Und wie Polen ist das Vereinigte Königreich auch nicht von der Grundrechtecharta betroffen, die heute, Mittwoch, in Straßburg feierlich unterzeichnet werden soll.

Rücksichtnahme

Dennoch sind die derzeit der EU vorsitzenden Portugiesen und die EU-Kommission offenbar heftig bemüht, Brown den Rücken möglichst frei zu halten. Nach der Warnung des Briten, EU-Bestimmungen für mehr Rechte von Leiharbeitern könnten die europakritische Stimmung auf der Insel weiter anheizen, wurde ein entsprechender Anlauf der Arbeitsminister letzte Woche ohne viel Aufhebens vertagt.

Dänemarks Regierung hat eine Volksabstimmung erst am Dienstag ausgeschlossen. Zu Gute kommt Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen eine Expertise des Justizministeriums: Weil keine Souveränitätsrechte an Brüssel abgegeben würden, brauche es weder ein Referendum noch die haarige Fünfsechstel-mehrheit im Parlament. Ratifiziert werden kann mit einfacher Mehrheit.

Keineswegs selbstverständlich ist der Erfolg des Referendums in Irland. Umfragen, wonach nur 25 Prozent der Iren für den Vertrag und 62 Prozent unentschieden sind, sind zwar noch nicht repräsentativ. Dennoch könnte eine abflauende Konjunktur innenpolitische Spannungen zur Folge haben und die Stimmung gegenüber der EU negativ beeinflussen. Für den Fall einer Niederlage des Reformvertrags in Irland gebe es kein Alternativszenario, heißt es in Brüssel. Um den Ausgang positiv zu beeinflussen, werde lediglich überlegt, den Vertrag in Irland zuletzt umzusetzen und so die Dynamik eines bereits in 26 Ländern ratifizierten Vertrags zu nutzen. Laut Zeitplan müssen alle Mitgliedsstaaten bis Ende 2008 ratifiziert haben, Anfang 2009 soll der Vertrag in Kraft treten.