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EU-Regierung: Jetzt ist Barroso am Zug

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Der derzeitige Ratsvorsitzende, Schwedens Premier Fredrik Reinfeldt, präsentierte am Abend der Entscheidung die neuen EU-Spitzen auf einem Rubick-Würfel. Jetzt liegt der nächste Dreh wieder bei Kommissionspräsident Barroso (Mittte). Foto: reu

Schwieriger Übergang zu neuer Rechtsgrundlage. | Ressorts in der Kommission werden verteilt. | Fast alle Länder haben Kandidaten nominiert. | Brüssel. Am 1. Dezember tritt der Vertrag von Lissabon in Kraft und gibt der EU eine neue Rechtsgrundlage. Gleichzeitig soll die bisherige Handelskommissarin Catherine Ashton ihren Posten als EU-Außenministerin antreten und damit gleichzeitig Vizepräsidentin der EU-Kommission werdeb, wie die Sprecherin von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Freitag erklärte. | EU bleibt ein Proporzsystem - Neubeginn verpasst


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Der macht sich nach den Entscheidungen über die beiden neuen Spitzenjobs an die Zusammenstellung seiner neuen Kommission für die nächsten fünf Jahre. "Deutlich vor Jahresende", solle sie fertig sein, sagte die Sprecherin. Gerechnet wird daher nicht vor Dezember mit der Präsentation des neuen Barroso-Teams.

Der künftige Ratspräsident Herman van Rompuy aus Belgien tritt sein Amt dagegen de facto erst Anfang Jänner 2010 an. Schon vor einem Jahr haben die Staats- und Regierungschefs ausgemacht, dass ein amtierendes Vorsitzland nicht aus dem Chefsessel geschubst werden soll, wenn der Lissabonner Vertrag noch während einer der Vorsitzperioden in Kraft tritt, die halbjährlich rotieren - der schwedische Premier und derzeitige EU-Vorsitzende Fredrik Reinfeldt darf also auch noch beim regulären EU-Gipfel Mitte Dezember den Vorsitz führen.

Ein wenig komplizierter ist die Angelegenheit für Außenministerin Ashton. Das nächste Treffen der Außenminister leitet offenbar noch der Schwede Carl Bildt. Doch die Amtszeit des bisherigen Hohen Vertreters Javier Solana läuft am 1. Dezember endgültig aus. Bisher war davon ausgegangen worden, dass Ashton von den Mitgliedsstaaten zu seinem Nachfolger ernannt wird und erst Vizepräsidentin der EU-Kommission wird, nachdem sie sich der Anhörung im EU-Parlament gestellt hat.

Übergang für Ashton

Diese ist erst für die zweite Jännerwoche 2010 geplant, gemeinsam mit der neuen EU-Kommission wäre Ashton erst Anfang Februar volle EU-Außenministerin mit allen Kompetenzen. Von einem Stufenverfahren sprach dagegen jetzt Barrosos Sprecherin. Die Britin werde umgehend mit dem Parlament Kontakt aufnehmen, um eine Übergangslösung zu finden, nach der sie schon Anfang Dezember Vizepräsidentin werden könne. Wie das genau funktionieren soll, ist bisher unklar.

Die bisherige Außenkommissarin Benita-Ferrero Waldner wäre ihren Job aber los; über ihr Schicksal entscheidet Barroso. Möglicherweise übernimmt sie für die nächsten zwei Monate die Handelsagenden, die bisher Ashton geleitet hat.

Schon sieben Frauen

Für die Verteilung der Ressorts fehlten Barroso vor dem Wochenende noch drei Nominierungen aus den Mitgliedsstaaten. Unklar waren offenbar noch die Niederlande, Dänemark und Malta. Zuletzt sind aber die Chancen gestiegen, dass die niederländische Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes verlängert wird. Der maltesische Sozialminister John Dalli könnte von der Regierung in Valetta geschickt werden. Griechenland hat am Freitag erwartungsgemäß eine Frau für Brüssel nominiert: Die neue Regierung in Athen entsendet die sozialistische Abgeordnete Maria Damanaki. Damit gibt sind bereits sieben Frauen für die künftige EU-Kommission nominiert. Der rumänische Kandidat Dacian Ciolos könnte wegen der Regierungskrise in Bukarest noch zurückgezogen werden. Als Ersatzkandidatin ist die frühere Europaministerin Anca Boagin im Gespräch.

Keine Angaben wollte Barrosos Sprecherin über die bereits zugesagte Kommissarsposten für einzelne Länder machen.

Deutscher EZB-Chef?

Dafür wurde klarer, dass Deutschland und Frankreich für ihre Zustimmung zu Van Rompuy und Ashton bekommen weitere EU-Spitzenposten bekommen dürften: Berlin rechnet sich gute Chancen auf den nächsten EZB-Präsidenten nach Jean-Claude Trichet aus. Angeblich könnte der amtierende Bundesbankpräsident Axel Weber den Posten an der Spitze der Europäischen Zentralbank bekommen. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde wird immer häufiger als potentielle Nachfolgerin von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker genannt.