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EU riegelt ihre Südgrenze ab

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Flüchtlingswelle aus Nordafrika hat die EU überrascht. | Österreich und Deutschland nehmen keine Tunesier auf. | Brüssel. Der Flüchtlingsstrom aus Nordafrika hat die EU wieder einmal auf dem falschen Fuß erwischt. Mehr als 5500 Flüchtlinge - die meisten aus Tunesien - sind in den letzten Tagen in Süditalien gelandet, mehr als 5000 davon auf dem Inselchen Lampedusa.


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Schon warnt der italienische Außenminister Franco Frattini vor einer noch viel massiveren Asylwerberwelle aus Ägypten; es herrscht "humanitärer Notstand" im südlichen Nachbarland.

Frankreich hat bereits zugesagt einige der Ankömmlinge vorläufig zu übernehmen. Doch die Reflexe in Deutschland und Österreich sind die gewohnten: An die Übernahme von potentiellen Flüchtlingen aus Italien werde derzeit nicht gedacht, heißt es unisono. Es gelte weiterhin die so genannte Dublin-II-Verordnung, nach der jenes Land die Asylverfahren durchführen muss, in dem sie erstmals EU-Boden betreten. Die deutsche Polizeigewerkschaft ging schon soweit, eine massive Aufrüstung der EU-Grenzschutzagentur Frontex zu einer ständigen EU-Küstenwache mit 2500 Sicherheitsbeamten zu fordern.

Neue Mission

Tatsächlich läuft in diesen Tagen zur Schutz der EU-Südgrenze eine neue Frontex-Mission im Mittelmeer an. Diese Einsätze haben sich in der Vergangenheit gegen Flüchtlingsströme bewährt. Der unermüdliche Einsatz der EU-Grenzschützer und Rückübernahmeabkommen mit den Ländern in Nord- und Westafrika hatten die Fluchtwege über das Mittelmeer in den letzten Jahren praktisch unbrauchbar gebracht. Von hohen fünfstelligen Aufgriffszahlen vor vier Jahren sanken die Landeversuche im Vorjahr auf wenige tausend. Ein Ergebnis war freilich der Ansturm zehntausender Asylwerber auf die griechische Festlandgrenze letzten Herbst, den die völlig überforderten Grenzbeamten wieder nur mit Hilfe eines Frontex-Eingreifteams bewältigen konnten.

Dabei sind die knapp 250 Experten der EU-Agentur mit Sitz in Warschau vielfach auf das Wohlwollen der Mitgliedstaaten angewiesen. Diese stellen Projektbezogen Personal und Ausrüstung von der Wärmebildkamera über Helikopter und Flugzeuge bis zum Küstenwachboot zur Verfügung. Seit längerem feilt die EU daher an einer deutlichen Aufwertung von Frontex. So weit wie die deutschen Polizeigewerkschafter gehen die Pläne zwar nicht. Bis zum Sommer sollten sich Mitgliedstaaten und EU-Parlament aber immerhin auf verpflichtende Personal- und Materialpools der Mitgliedstaaten für Frontex sowie die Möglichkeit zum eigenständigen Leasen oder Anmieten von Fliegern und Booten auf Abruf einigen, hieß es in Diplomatenkreisen. Zudem würden die Kompetenzen der EU-Grenzschützer ausgebaut. Geplant sind etwa die eigenständige Verarbeitung von persönlichen Daten aufgegriffener Personen und die Organisation von Rückführungsoperationen durch Frontex. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die effektiven Grenzschützer dagegen regelmäßig für ihr striktes Vorgehen gegen die illegalen Einwanderer.

Ashton in Ägypten

Während in Europa über den Umgang mit der neuen Asylwerberwelle und deren Abwehr gerätselt wird, fährt EU-Außenministerin Catherine Ashton kommenden Dienstag nach Ägypten. Vom gestürzten Regime von Hosni Mubarak war ihr von einem Besuch zuvor abgeraten worden.