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EU ringt um Linie zu Palästina

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Politik

Israel fürchtet diplomatisches Desaster. | Hoffnung auf Einlenken der Palästinenser.


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Sopot/Brüssel. Für ein entspanntes Getränk auf der längsten Holzmole Europas werden die EU-Außenminister nicht viel Zeit finden, wenn sie heute, Freitag, im malerischen polnischen Ostseekurort Sopot zusammentreffen. Denn der Dauerbrenner Nahost hat im Vorfeld der UNO-Generalversammlung Mitte September neue Brisanz gewonnen. Die Arabische Liga will die Palästinenser offenbar dabei unterstützen, sich als unabhängiger Staat um einen UN-Sitz zu bewerben. In Tel Aviv schrillen alle Alarmglocken: 130 bis 140 Länder könnten den Antrag unterstützen, schätzen israelische Diplomaten.

Dass Palästina tatsächlich beitreten darf, ist zwar ausgeschlossen. Denn letztlich entscheidet der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Aufnahme neuer Mitglieder, und die USA haben bereits ihr Veto angekündigt. Doch würde eine Abstimmungsniederlage Israels ein diplomatisches Desaster bedeuten und einige Sprengkraft im ohnehin vom Arabischen Frühling gebeutelten Nahen Osten bergen. Wie in dieser heiklen Situation umzugehen sei, wollen die EU-Außenminister daher herausfinden.

Frankreich lobbyiert ganz offen dafür, stärkere Signale in Richtung einer Anerkennung Palästinas als unabhängigen Staat zu erreichen. Frieden und Sicherheit im Nahen Osten sei in erster Linie durch einen demokratischen, modernen und lebensfähigen palästinensischen Staat zu erreichen, diktierte Präsident Nicolas Sarkozy seinen Diplomaten ins Merkheft. Frankreichs Nahost-Sondergesandte Valerie Hoffenberg kostete es ihren Job, dass sie sich privat gegen eine offizielle Anerkennung des Palästinenserstaates aussprach.

Österreich zögerlich

Dass sich die Außenminister aber der strikten Haltung Sarkozys anschließen werden, glauben EU-Diplomaten nicht. Deutschland, Italien, die Niederlande und Tschechien halten von zu viel Entgegenkommen nämlich wenig. Vor allem die besondere Beziehung zwischen Berlin und Tel Aviv dürfte einer vorbehaltlosen EU-Anerkennung entgegenstehen. Und Israel hat schon angekündigt, alle bisherigen Friedensverträge mit den Palästinensern zu streichen, falls die UNO-Generalversammlung für eine Aufnahme votieren sollte.

Noch keine eindeutige Position hat Österreich bezogen. Außenminister Michael Spindelegger will sich scheinbar so spät wie möglich festlegen. Denn insgeheim hoffen EU-Diplomaten, dass die Palästinenser sich nicht mit Anlauf in eine Katastrophe stürzen und in ihrem inhaltlich noch unbekannten Antrag eine mildere Forderung stellen als die Aufnahme in die UNO. Auch innerhalb der Palästinenserführung und der Arabischen Liga soll es noch unterschiedliche Strömungen geben. So könnte als Alternative zum Beispiel der bereits bestehende Beobachterstatus der PLO aufgewertet werden, hieß es. Mit leeren Händen kann der palästinensische Premier Abu Mazen nämlich nicht nach Hause fahren, nachdem das Thema Anerkennung und UN-Mitgliedschaft zuletzt hochemotional aufgeladen wurde.

Als Leitplanken für Abu Mazens Antragsschreiber könnten die letztgültigen Beschlüsse der EU-Außenminister zum Thema dienen: "Zu einem Zeitpunkt in naher Zukunft" sei die Gründung des "Staates Palästina" und eine Anerkennung "möglich", heißt es dort. Doch könnten die Palästinenser eine harte Linie fahren und auf ihrem "Prestigeerfolg" beharren, wie der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Ariel Muzicant, eine Abstimmungsniederlage Israels bezeichnete. Dann werde es einen neuen Krieg im Nahen Osten geben.