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Boykott durch Europa hilft den Hardlinern im Wahlkampf.
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Der Atomstreit mit dem Iran schlittert mit den jüngsten EU-Sanktionen auf dem Öl-, Banken- und Petrochemiesektor ein weiteres Stück in die Sackgasse. Zwar stimmt es, dass die ab Juli geplanten Einfuhrverbote für iranisches Öl in den EU-Raum den Iran hart treffen werden. Die Trotzreaktion Teherans - Motto: "Wenn wir euch schon kein Öl liefern dürfen, dann geben wir euch auch keine Zeit, euch nach neuen Anbietern umzusehen" - kommendes Wochenende mit einem Ölembargo gegen die EU wird die Entwicklung nur beschleunigen. Es stimmt auch, dass die EU gemeinsam mit China der größte Handelspartner der EU ist und 90 Prozent der Exporte aus der Islamischen Republik nach Europa Ölprodukte sind.
Doch das angepeilte Ziel des Westens, den unaufhaltsamen Fortschritt des iranischen Atomprogramms zu stoppen, wird mit diesem neuen Strafpaket sicherlich nicht erreicht. Im Gegenteil. In den letzten 33 Jahren haben die Perser gelernt, mit allen Arten von Sanktionen umzugehen. Zudem haben sich das Öl und das Nuklearprogramm als Prestigeelemente in die Köpfe der Perser tätowiert. Unter dem seit Jahrhunderten bekannten Leitsatz "Stur und stolz wie ein Perser" wird dieser jüngste Druck des Westens von der Regierung in Teheran gezielt dazu verwendet werden, an ebendiesen Stolz der Bevölkerung zu appellieren.
Ali Fallahian, einflussreiches Mitglied des Expertenrates, macht es mit Forderungen wie dieser vor: "Seht her, liebe Mitbürger, die EU glaubt, sie kann mit dem Iran ihre Spiele spielen, wir müssen einen sofortigen Ölstopp verhängen, um sie vom Gegenteil zu überzeugen." Er ist nicht der Einzige, denn die Mehrheit des Majles, des iranischen Parlaments, ist derselben Meinung und schwört bittere Rache. Das Feindbild EU reiht sich in Gesellschaft von USA und Israel.
Antiwestliche Stimmung
Das Credo: Die Bevölkerung wird kurz vor den im März stattfindenden Parlamentswahlen, die als Nagelprobe für den amtierenden Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad gelten, anti-westlich eingestimmt. Parallel dazu werden sich die Hardliner rund um den obersten Führer Ali Khamenei sicher etwas einfallen lassen, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Erste Ansätze dazu gibt es schon: "Dann werden wir halt unser Öl an andere unerschlossene Märkte, die es auch wert sind, weitergeben", so ein sichtlich beleidigter Parlamentsabgeordneter trotzig.
Eines ist aber jetzt schon am Beispiel der iranischen Hauptstadt Teheran sehr schön zu erkennen: Die Haupt-Leidtragenden dieses politischen Disputs rund um die umstrittene Urananreicherung Irans ist die Bevölkerung. Die Güter des Alltags erleben seit mehreren Monaten ihre bereits siebente Teuerungswelle, von explodierender Arbeitslosigkeit und Inflation ganz zu schweigen. Die Folge: Teure Markengüter wie Elektrogeräte, Möbel und Markenkleidung aus den USA und aus Europa wird es künftig in wenigeren Mengen und teurer geben.
Auch die Iraner im Ausland werden den Sanktionsdruck zu spüren bekommen. Die iranischen Fluglinien Iran Air und Mahan Air befinden sich beide in der europäischen Zwickmühle: Viele ihrer Flugzeuge dürfen vor dem lukrativen Sommergeschäft die EU nicht anfliegen, werden nicht betankt oder verfügen nicht über die nötigen Ersatzteile. Streckenzusammenlegungen beziehungsweise -kürzungen sind die Folge. So wird der Iran-Trip für Auslandsperser zur Geduldsprobe, denn auch europäische Fluglinien wie Swiss, Air France und British Airways fliegen den Iran nicht mehr an. So bleibt in vielen Fällen dann doch nur noch die Iran Air als einzige Möglichkeit, direkt in den Iran zu gelangen.