Polen bleibt Unsicherheitsfaktor. | Brown innenpolitisch unter Druck. | Italien und Bulgarien haben Anliegen. | Brüssel. Die EU steht offenbar kurz vor der Einigung auf den Reformvertrag. Dieser soll die Entscheidungsprozesse in der Union effizienter und demokratischer machen. Am Montag klären die Außenminister noch einmal die Positionen ab, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am 18. und 19. Oktober soll der neue Vertrag abgesegnet werden.
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#"Showmaster" Brown
Neben letzten Feinabstimmungen des Rechtstextes sind aber noch einige politische Schaukämpfe zu erwarten. Diese dürften von Großbritannien, Polen, Italien und Bulgarien ausgehen. So ließ der innenpolitisch schwer unter Druck stehende britische Premier Gordon Brown zuletzt keine Gelegenheit aus, mit einem Veto zu drohen, falls Londons "rote Linien" nicht gewährleistet würden. Das gilt aber als Show für daheim. Denn die britischen Wünsche wurden mit umfangreichen Ausnahmeregelungen weitestgehend erfüllt. Auffällig konziliant gab sich dagegen der polnische Präsident Lech Kaczynski am Freitag: Er sei "fest davon überzeugt, dass es ein Erfolg wird", sagte er. Dabei wälzt Polen eines der letzten verbliebenen inhaltlichen Anliegen und wählt zwei Tage nach dem Gipfel ein neues Parlament. Für heftige Diskussionen könnte auch der italienische Premier Romano Prodi sorgen. Er wehrt sich entschieden gegen die vom EU-Parlament beschlossene Neuverteilung der Sitze, bei der Italien schlecht abschneidet. Und schließlich wollen die Bulgaren die von der EU verwendete Übertragung des Wortes "Euro" ins kyrillische Alphabet ändern, wie die "Wiener Zeitung" berichtete.
Bis zuletzt noch offene Forderungen Österreichs dürften dagegen beim Gipfeltreffen keine Rolle mehr spielen. Denn die Klausel zur Legalisierung der Uni-Quoten scheint durch einen Deal mit der EU-Kommission überflüssig zu werden. Die legt das entsprechende EU-Strafverfahren voraussichtlich am Mittwoch für rund fünf Jahre auf Eis. Die österreichische Forderung nach der präzisen Anpassung der Aufnahmefähigkeit der EU in der englischen und französischen Sprachfassung des Vertragstextes wurde fallen gelassen. Rechtlich mache es keinen Unterschied, das Thema sei extrem heikel, es solle keine grundsätzliche Erweiterungsdebatte beim Gipfel vom Zaun gebrochen werden, hieß es.
Ausnahmen
Großbritannien hat indes komplexe und weit reichende Ausnahmen für künftige Entscheidungen über die EU-Polizei- und Justizzusammenarbeit erhalten sowie Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für die EU-Außen- und Verteidigungspolitik ausgeschlossen. Darüber hinaus gilt die künftig rechtsverbindliche EU-Grundrechtecharta für Großbritannien nicht. Dieselbe Ausnahme gilt auch für Polen. Die hätten gerne noch einen Mechanismus zur Blockade von knappen Mehrheitsentscheidungen ("Ioaninna-Klausel") im Reformvertrag verankert, sollen aber nach Aussagen von Diplomaten inzwischen auch mit "einer Lösung außerhalb des Vertrags" zufrieden sein können. Weiter am Tisch liegt der polnische Wunsch nach einem eigenen ständigen Generalanwalt beim EuGH. Das hat allerdings ebenso wie der italienische Widerstand gegen die neue Sitzverteilung im EU-Parlament nicht unmittelbar mit dem Reformvertrag zu tun. Gegen den werde er kein Veto einlegen, hat Prodi bereits angekündigt. Die Entscheidung über die konkrete Verteilung der Parlamentssitze könnte aufgeschoben werden.
Nationalstolz
Haarig wird es dagegen für die Bulgaren: Sie sehen in der ihrer Meinung nach falschen Schreibweise des "Euro" in EU-Rechtsakten und -verträgen einen Angriff auf ihre kulturelle und nationale Identität. Sofia wolle nun keine EU-Verträge mehr unterschreiben, in deren bulgarischer Fassung die europäische Währung nicht korrekt geschrieben sei, hieß es. Die Bulgaren wollen am Gipfel jedenfalls gegen "inakzeptable Abänderung" der bulgarischen Sprache zu kämpfen.
Diplomaten geben diesem Kampf allerdings wenig Chancen: Bereits Slowenien und Litauen hatten bei ähnlichen Problemen einlenken müssen. Die schließlich gefundene bulgarische Version des Euro-Schriftzugs soll künftig die Euro-Scheine neben der lateinischen und der griechischen Version schmücken.