Übernahme-Richtlinie verfehlt ihr Ziel. | Protektionismus auf dem Vormarsch. | Brüssel. Fast drei Jahre nach der Verabschiedung der EU-Übernahmerichtlinie stellt ihr die Kommission in einem gestern, Dienstag, vorgestellten Bericht ein verheerendes Zeugnis aus. Statt Firmenübernahmen unionsweit zu erleichtern, sind sie in vielen Fällen noch schwieriger geworden. Grund dafür ist die restriktive Umsetzung der Richtlinie in den meisten EU-Ländern.
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Von erleichterten Firmenübernahmen hatte sich Brüssel Vorteile für die Aktionäre und die europäische Wirtschaft erhofft. Zur Beseitigung der zentralen Hürden wurden die Neutralität des Vorstands des vor einer Übernahme stehenden Unternehmens und die so genannte Durchbruchsregel als Kernelemente der Richtlinie identifiziert. Demnach muss der Vorstand im Falle eines Übernahmeangebots erst die Zustimmung der Hauptversammlung (der Aktionäre) einholen, bevor er Gegenmaßnahmen wie Aktienrückkäufe oder die Ausgabe neuen Aktienkapitals beschließen kann. Gemäß der Durchbruchsregel dürften Unternehmen zur Abwehr einer Übernahme etwa keine Mehrfachstimmrechte nutzen.
Fast zwanzig Jahre
Streit ohne Ergebnis
Nach fast zwanzigjährigem Streit unter den Mitgliedsstaaten blieben beide Elemente aber optional, und lediglich in den drei baltischen Staaten gilt die Durchbruchsregel. Nur ein Prozent der in der EU börsenotierten Unternehmen seien davon betroffen, beklagt die Kommission. Und selbst die Neutralität des Vorstands hat nur Malta zusätzlich eingeführt, 16 weiteren Ländern inklusive Österreich war sie bereits vorher Pflicht. Ungarn hat sie im Zuge der Umsetzung gar abgeschafft. Fünf Länder wie Frankreich und Portugal binden sie an Bedingungen.
In acht Mitgliedsstaaten - unter ihnen Spanien, die Niederlanden und Italien - harrt das EU-Gesetz überhaupt weiter der Umsetzung. 2011 soll es spätestens überarbeitet werden. "Im Lichte dieser Bewertung" könnte das allerdings vorverlegt werden, schließen Binnenmarktkommissar Charlie McCreevys Beamte den Bericht.