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EU schwingt die große Keule

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die überaus umstrittene Justizreform in Polen hat in der EU zu heftigen Protesten geführt. Das oberste Gericht des Landes praktisch dem Justizminister zu unterstellen, hat ja tatsächlich wenig mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Und die geplanten Änderungen bei Richterbestellungen machen auch aus Gerichten quasi-politische Institutionen.

Nun ist die regierende PiS-Partei sehr nationalistisch ausgerichtet, von liberal ist wenig zu sehen. Ähnliches gilt wohl in Ungarn, wo Viktor Orbans Partei die klar antisemitischen Plakate gegen George Soros, der dort eine Uni betreibt, abhängen musste.

Für die EU sind diese Entwicklungen überaus gefährlich, denn es gibt wenige Möglichkeiten, ein Mitgliedsland zu sanktionieren. Allerdings gibt es mittlerweile einige Ansatzpunkte dafür, und die können vom Entzug des Stimmrechts in den EU-Räten bis hin zu Förderkürzungen reichen. Da sowohl Polen als auch Ungarn zu den größten Nutznießern der EU-Töpfe gehören, wäre das wohl das stärkste Argument. Ungarn erhält jährlich netto 4,6 Milliarden Euro mehr, als es in die EU einzahlt, Polen 9,5 Milliarden Euro.

Nun hat es ökonomisch wenig Sinn, ein EU-Land wirtschaftlich zu schwächen. Aus politischen Gründen wäre es aber wohl angebracht, ein Exempel zu statuieren. Dass die EU-Kommission jetzt ein weiteres Verfahren gegen Polen vorbereitet, und zwar wegen "schwerwiegender und anhaltender Verletzungen" der im EU-Vertrag verankerten Werte, ist völlig richtig.

Die EU kann nicht bei der Türkei die systematische Ausschaltung des Rechtsstaates kritisieren und bei einem eigenen Mitgliedsland tolerieren. Das ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit, sondern auch des inneren Zusammenhalts.

Polen und Ungarn haben genau gewusst, was sie für den EU-Beitritt unterschreiben. Der neue deutsch-französische Dynamo (Angela Merkel und Emmanuel Macron) hat mehrmals klargemacht, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist. Dazu gehört auch, diese Werte zu verteidigen.

Mit dem jetzigen Verfahren gegen Polen hat die EU-Kommission die große Keule ausgepackt, das ist schon richtig. Es wird daher auch kontroverse politische Debatten darüber geben.

Aber die Alternative - nämlich nichts zu tun - wäre desaströs. Europa würde damit autokratische Tendenzen einfach hinnehmen - was einer Selbstaufgabe gleichkäme.