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EU soll Banken notfalls erneut helfen

Von Reinhard Göweil

Politik

Wahlen in Deutschland und Österreich überdecken die schlummernden Risiken in der Finanzwirtschaft.


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Österreichs Banken, Europas nächstes Sorgenkind?
© screenshot

Washington/Basel. Europas Politiker werden diese Botschaft vom Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht so gerne hören, vor allem nicht im wahlkämpfenden Österreich und im "koalitionssuchenden" Deutschland. Der IWF forderte die EU am Mittwoch auf, endlich Banken-Sicherungssysteme einzuführen, und zwar notfalls auch mit neuerlicher Bereitstellung von Steuergeld. Und der IWF sprach sich ebenfalls für eine zentrale Kreditaufnahme der Euro-Zone aus, das sind die mittlerweile berühmten "Euro-Bonds".

Draghi will von EU-Chefs Haftungszusage für Banken

Das Diskussionspapier des Währungsfonds ist abgestimmt mit den Zentralbanken veröffentlicht worden, denn auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) macht man sich Sorgen. So hat Mario Draghi, wie informell zu hören war, beim EU-Gipfel am 24. und 25. Oktober vor, von den EU-Regierungschefs eine Art Haftungszusage zu erreichen, sollten sich beim Stresstest der EZB Kapitallücken ergeben.

Für die Politik ist diese Vorgangsweise hart zu nehmen, denn die Kritik an den milliardenschweren Bankenrettungen ist unüberhörbar laut geworden - vor allem vor dem Hintergrund exorbitant hoher Arbeitslosen-Zahlen in der EU. Die Kommission in Brüssel - so Insider - wollen den Regierungschefs die Zusage versüßen, indem allfällige Kapitalzuschüsse an die Banken nicht als exzessives Budget-Defizit angerechnet werden - der Sanktionsmechanismus also nicht in Kraft tritt.

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Sowohl deutsche als auch österreichische Regierungspolitiker vermieden im Wahlkampf das Thema Bankenrettungspakete nach Kräften. Die vom IWF und der EZB geforderte neuerliche Hilfe kommt beim Wahlvolk gar nicht gut an. In Deutschland ist die Partei "Alternative für Deutschland", die einen Austritt aus dem Euro fordert, nur knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Sie will allerdings kommendes Jahr bei der Europa-Wahl antreten, was bei CDU, SPD und Grünen Nervosität auslöst.

In Österreich schaffte es die Regierung durch die EU-Akzeptanz des Abwicklungsplans für die Hypo Alpe Adria nur knapp, das Thema wieder vom Tisch zu kriegen.

Allerdings platzte gestern Reuters-TV in die Idylle und machte sich international Sorgen, dass Österreichs Banken insgesamt das nächste große Problem Europas werden könnte. In der Tat stehen österreichische Banken vor einigen Kapitalerfordernissen. Die Erste Bank (Sparkassen) hat sich im Juli mit einer Kapitalerhöhung in Höhe von 660 Millionen Euro Luft verschafft und mittlerweile die Staatshilfe in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zurückbezahlt.

Erste zahlte zurück, Raiffeisen noch nicht

Doch Raiffeisen steht vor einer Kapitalerfordernis, die von Analysten auf 5,5 bis sieben Milliarden Euro geschätzt wird (Rückzahlung der Staatshilfe inklusive).

Und auch die "Problembank Nummer 2, die Volksbanken AG, dürfte noch nicht aus dem Schneider sein. Möglich ist, dass die Volksbanken AG im ersten Quartal 2014 einen neuerlichen Kapitalbedarf hat. Und der könnte wohl von der Republik kommen, die derzeit 45 Prozent am Institut hält.

In einem halbjährlichen Bericht hat die Europäische Bankenaufsicht die Belastbarkeit des Eigenkapitals der europäischen Banken überprüft. 17 von 40 Banken haben demnach Probleme. Die Deutsche Bundesbank veröffentlichte das Ergebnis, indem sie erklärte, dass alle deutschen Banken die Kapitalerfordernisse erfüllen würden, erstmals auch die sieben größten.

Eine der wichtigsten Änderungen, die die Finanzkrise 2008 mit sich gebracht hat, war, dass sich zwei Jahre später die Chefs der Notenbanken und Aufsichtsbehörden von 27 Staaten im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht neue Kapital- und Liquiditätsvorschriften für Bankeninstitute beschlossen haben. Die neuen Eigenkapitalregeln, auch Basel III genannt, sollen dazu führen, dass Banken sich im Krisenfall aus eigener Kraft stabilisieren und retten können. Dazu gehört, dass das Kapital, um als Eigenkapital gezählt zu werden, höhere Qualität aufweist und auch zu einem höheren Anteil vorhanden ist.

Höheres Kapital, um Ausfälle zu verkraften

Nicht so wie früher, vor 2008, als die Banken mit dem Geld ihrer Aktionäre und den Gewinnrücklagen nur zwei Prozent absichern mussten. Je nach Größe der Bank sollen ab spätestens Jänner 2019 die Basel-III-Regeln implementiert sein. Dazu gehört, dass hartes Kernkapital (bestehend aus eigenen Aktien und einbehaltenen Gewinnen) mindestens 8 Prozent der Risikopositionen vorweisen muss. Die Banken müssen noch einen langen Weg beschreiten. Dieser sogenannte "Baseler Ausschuss", ein Aufsichtsgremium, stellte nun fest, dass Ende 2012 Europas Großbanken noch 70 Milliarden Euro für die Umsetzungen (gemessen an den Anforderungen ab 2019) fehlen. Das geht aus einer halbjährlich publizierten Erhebung hervor. "Die europäischen Banken machen bei der Erhebung freiwillig und anonym mit, um sich besser vorbereiten zu können. Das bedeutet aber auch, dass wir nicht wissen, in welchen Ländern oder bei welchen Instituten noch welcher Betrag fehlt", erklärt eine Sprecherin der "European Banking Authority" der "Wiener Zeitung".

Weltweit fehlen Banken noch 115 Milliarden Euro

Die Kapitaldecke der hundert weltgrößten Banken weist nach Berechnungen der internationalen Regulierer noch immer eine Lücke in dreistelliger Milliardenhöhe auf. Den Großbanken fehlen damit fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers noch schätzungsweise 115 Milliarden Euro, um die künftig geltende Kernkapitalquote von sieben Prozent zu erfüllen. Diese Lücke werde allerdings kleiner, heißt es in dem Bericht. Ende 2012 sei sie bereits um 83 Milliarden Euro niedriger gewesen als sechs Monate zuvor, weil viele Banken ihr Eigenkapital etwa durch einbehaltene Gewinne gestärkt und Risiken aus ihren Bilanzen getilgt hätten. Auf Europas Banken allein entfallen 60 Prozent davon.

Nun sind im Rahmen der Bankenunion viele politische Weichen gestellt worden, doch die Einführung der neuen europäischen Regeln verzögert sich, weil Kommission und EU-Staaten streiten, wer die Schließung einer Bank verhängen darf.