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EU soll Städte direkt finanzieren

Von Bernd Vasari aus Brüssel

Wirtschaft

Die Bürgermeister von Prag, Budapest, Bratislava und Warschau fordern, dass die Ebene Nationalstaat übergangen werden soll. Elf Städte, so auch Wien, schließen sich der Forderung an.


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Geschlossen wurde der Visegrád-Pakt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs am 15. Februar 1991 vom polnischen Präsidenten Lech Walesa, dem ungarischen Ministerpräsidenten Jozsef Antall und Vaclav Havel als Staatsoberhaupt der Tschechoslowakei. Die drei Staaten - seit der Spaltung der Tschechoslowakei sind es vier - wollten sich gegenseitig unterstützen auf dem Weg in die Europäische Union. Das Ziel ist geglückt, alle vier Staaten traten 2004 bei.

Das Format gibt es auch heute noch, doch die Stoßrichtung hat sich umgekehrt. Die Visegrád-Staaten gelten mittlerweile als Staaten, die es nicht so ernst nehmen mit europäischen Werten wie Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit. Auch bei den Bemühungen der neuen EU-Kommission zur Klimaneutralität gehören die Visegrád-Staaten zu den größten Bremsern.

Die vier Bürgermeister der jeweiligen Hauptstädte wollten das nicht länger hinnehmen und gründeten ein Abwehrbündnis gegen die jeweiligen nationalen Regierungen mit dem Namen "Pakt der freien Städte". Nun treten sie auch auf EU-Ebene in Erscheinung, mit einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Zdeněk Hřib (Prag), Gergely Karácsony (Budapest), Rafał Kazimierz Trzaskowski (Warschau) und Matúš Vallo (Bratislava) fordern darin die direkte finanzielle Unterstützung durch die EU und damit die Umgehung der Nationalstaaten. Unterstützt werden sie von 11 weiteren Städten in der EU, darunter Wien, Mailand, Straßburg, Den Haag und Berlin.

"Die Innovationen entstehen vor allem in den Städten", sagt Hřib. "Sie sind der wirtschaftliche Motor der Staaten, und somit der EU." Das Geld direkt zu überweisen, sei daher legitim. "Wenn wir Innovationen nicht fördern, dann werden wir im globalen Wettbewerb nicht mithalten können."

Trzaskowski argumentiert mit dem notwendigen Kampf gegen den Klimawandel. "Unsere Regierungen sind nicht sehr motiviert dagegen etwas zu unternehmen. Deswegen wird es an uns liegen für eine grüne Zukunft zu sorgen", erklärt der Bürgermeister von Warschau.

Derzeit würden die EU-Mittel an die Nationalstaaten überwiesen werden. "Die weitere regionale Verteilung erfolgt jedoch nach politischen Kriterien. Dagegen wehren wir uns", sagt er.

Hřib sieht im direkten Finanzfluss von Brüssel in die Städte zudem eine Entbürokratisierung. "Wenn wir eine bürokratische Ebene einsparen könnten, würden wir die EU auch näher an die Bürger bringen." Als Zeichen gegen den Klimawandel sollen die Prager Stadtgärtner in den kommenden acht Jahren eine Million Bäume in Prag pflanzen.

EU-Parlament droht mit Blockade

In Brüssel laufen derzeit die Verhandlungen des neuen EU-Finanzrahmens für 2021 bis 2027 auf Hochtouren. Die EU-Länder konnten sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Österreich und andere Nettozahler in den EU-Haushalt wollen die jährlichen Beiträge bei einem Prozent der nationalen Wirtschaftsleistungen belassen.

Die EU-Kommission kann sich 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung vorstellen, das Europäische Parlament pocht aber auf 1,3 Prozent. Die Abgeordneten verweisen auf das Haushaltsloch durch den Austritt des Nettozahlers Großbritannien und neue EU-Aufgaben.

Eine Einigung zu dem EU-Budget kann nur durch die Zustimmung des EU-Parlaments erfolgen. Dieses grüne Licht sollte jedoch nicht als selbstverständlich gelten, wie die Vertreter der konservativen, sozialdemokratischen, liberalen, grünen und rechtsnationalen Fraktionen nun deutlich machten. Sie drohen mit einer Blockade, sollte eine Einigung der EU-Staaten ihren Ansprüchen nicht genügen. "Wir werden nicht zustimmen, wenn uns die 27 Regierungen etwas vor die Nase setzen und sagen ‚friss oder stirb‘", sagte der polnische Konservative Jan Olbrycht am Dienstag in Straßburg.

EU-Ratspräsident Charles Michel hat für den 20. Februar einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs anberaumt. Eine Einigung beim Gipfel ist jedoch unwahrscheinlich.