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EU-Sondertreffen: Irland-Hilfe fix, neue Lösungen zur Euro-Rettung

Von Reinhard Göweil

Europaarchiv

Im neuen Stabilitätspakt könnten Schuldner-Länder EU-Transferzahlungen verlieren. | Euro-Anleihen ab Sommer 2013 mit der Möglichkeit des Forderungsausfalls. | Brüssel. Stressige Zeiten für Finanzminister Josef Pröll: Zwischen Budgeteinigung in Österreich und dazugehöriger Budgetrede musste er Sonntag einen Verhandlungs-Marathon in Brüssel einlegen. Die EU-Finanzminister trafen sich zu einem kurzfristig einberaumten Sonder-Ministertreffen. Grund: Endgültige Absegnung der Irland-Hilfe aus dem Euro-Schutzschirm. Die Hilfe liegt bei 85 Milliarden Euro und ist fix. | Leitartikel: Euro-Technik statt EU-Politik | Euro: Wenig Zeit zum Luftholen | Die EZB als Feuerwehr | Zapatero will rasche Reformen


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Neu an der Sache: Irland wird - so EU-Diplomaten - einen substantiellen Eigenbeitrag leisten in Höphe von 17,5 Milliarden Euro. Das Geld kommt aus der sogenannten Pensions-Reserve der Iren. Anzunehmen, dass dies der irischen Bevölkerung nicht gefallen wird, wenn ihre angesparten Pensions-Rücklagen indirekt zur Sanierung der irischen Banken verwendet wird. Kurzfristig wird dies Irland eine Entspannung bringen, denn dieses Geld wird für 2012 einmal den Schuldenstand reduzieren, und auch die Zinsbelastung daraus in Höhe von einer Milliarde Euro. Das Geld für die irischen Pensionen müsste später aus dem laufenden Haushalt kommen - keine einfache Übung. Derzeit geht es aber nur darum, Zeit zu gewinnen.

Allerdings ist diese Eigenleistung notwendig, denn Irland will sich ja auch nicht dreinreden lassen bei der ebenfalls laufenden Budgetsanierung in Höhe von 15 Milliarden Euro. Das Sanierungsprogramm schneidet tief in die Sozialsysteme hinein. Die niedrige Körperschaftssteuer von 12,5 Prozent, sowie gegen Null tendierende Steuerzuckerl für Unternehmen, wird von der zerbrechenden Regierung in Dublin verteidigt, ist den EU-Partnern aber nach wie vor ein Dorn im Auge.

Mit der "Eigenleistung" hat sich die irische Regierung diesen Rest an Souveränität erkauft.

Die 85-Milliarden-Hilfe für Irland teilt sich nun so auf: Je 22,5 Milliarden Euro kommen vom Euro-Rettungsschirm (an dem Österreich mit 2,6 Prozent beteiligt ist) und vom Internationalen Währungsfonds. Die Nicht-Euroländer Großbritannien, Schweden und Dänemark, deren Banken heftig in Irland engagiert sind, steuern gemeinsam mit einem Fonds der EU-Kommission ebenfalls 22,5 Milliarden Euro bei. Bis 2015 hat Irland nun Zeit, sein Budgetdefizit auf unter drei Prozent zu drücken.

Mit dem Geld des irischen Pensionsfonds werden die kaputten Banken kapitalisiert. Allied Irish Bank, Bank of Ireland und eine große Immobiliengesellschaft sollen damit aufgepäppelt werden. Die Anglo Irish Bank wird in eine "gute" und "schlechte" Bank geteilt, aber am Ende wohl insgesamt liquidiert. Weiter 2,7 Milliarden Euro, die aus dem irischen Pensionsfonds bereits in einen große staatlichen Immobilien-Finanzierer geflossen sind, dürften verloren sein: Die Gesellschaft muss geschlossen werden, um weitere Verluste zu verhindern.

Neue Bedingungen für Euro-Anleihen plus Stabilitätspakt = Euro-Stabilität

Doch nicht nur Irland beschäftigte die EU-Finanzminister am ersten Adventsonntag. Sie einigten sich auf weitere Maßnahmen, um das Ausbreiten der Schuldenkrise Europas endlich zu beenden. "Das ist ein wichtiger Tag für Europa", sagte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble. So werden Euro-Anleihen, die ab Sommer 2013 begeben werden, einen impliziten Forderungsausfall in den Bedingungen haben. Als Vorbild dienen dabei Bestimmungen, die es bereits gibt, und die der Internationale Währungsfonds für Entwicklungsländer entwickelt hatte. Danach wird es möglich sein, mit privaten Gläubigern über verschiedene Möglichkeiten der Umschuldung zu verhandeln.

Dies allerdings erst dann, wenn das betroffene EU-Land als "insolvent" eingestuft wird. Für Länder, die zwar zahlungsfähig sind, aber ein Liquiditätsproblem haben, werden die Anleihegläubiger nur "ermutigt, den Anleihebestand zu halten", wie Schäuble sagte.

"Wir brauchen neue Lösungen, um die Vertrauenskrise der Märkte gegen Euro-Länder endlich zu beenden", sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. "Zuletzt haben wir mit großem Einsatz ein seismographisches Frühwarnsystem gegen Erdbeben aufgebaut, um nun festzustellen, dass es sich eigentlich um eine Flut-Katastrophe handelt."

Bis zum EU-Gipfel am 16. Dezember soll die technisch klingende, doch die EU-Länder unter recht harten Budgetdruck bringende Maßnahme unter Dach und Fach gebracht werden. Denn die Einigung der EU-Finanzminister für einen "Euro-Krisenbewältigungsmechanismus" ist thematisch nicht von der Verschärfung des Stabilitätspaktes zu trennen. Und der wird - so EU-Diplomaten - vor allem die hochverschuldeten EU-Länder an der Peripherie unter Druck setzen. So wird es dort eine regelmäßige Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes geben. Bei eklatanten Abweichungen sollte es möglich werden, für dieses Land die EU-Förderzahlungen zu stoppen. Allein dies können sich einige Länder nicht leisten, was sie anhalten wird, sich den Vertragsbedingungen gemäß zu verhalten - so die Hoffnung der Finanzminister. "Wir werden durch den ständigen Vergleich und die Berichtspflicht der Länder bis in kleine Details einen solchen Druck auf die EU-Länder haben, gute ökonomische Parameter vorzuweisen, dass sich viele Fragen nicht mehr stellen werden", gab sich ein EU-Diplomat am Rande des Ministertreffens in Brüssel sicher.

Nun müssen die getroffenen Maßnahmen "nur noch" in den Lissabon-Vertrag eingearbeitet werden, das ist die rechtliche Basis der Europäischen Union. Um die Verschärfungen umzusetzen, sind Änderungen notwendig. Sie sollen aber "geringfügig" bleiben, um sich Volksabstimmungen in einzelnen EU-Ländern - mit der Gefahr einer Ablehnung - zu ersparen. Schäuble philosophisch: "Vorhersagen für die Märkte sind so schwierig wie für die Zukunft allgemein."