Stockende Beitrittsverhandlungen, außenpolitische Alleingänge. | Haltung in Iran-Frage und Spannungen mit Israel Hauptkritikpunkte. | Brüssel. Die Beziehungen zum Beitrittsland Türkei machen den Außenministern der Mitgliedsländer Sorgen. Bei ihrem Treffen am Samstag wollten sie sich eine Strategie für den weiteren Umgang mit der "extrem selbstbewusst auftretenden Regionalmacht" überlegen, wie es in Diplomatenkreisen hieß. Denn einerseits näherten sich die Beitrittsverhandlungen "dem Ende der Fahnenstange." Andererseits sei auffällig, dass sich die Türkei außenpolitisch häufig anders positioniere als die EU. Das sei für ein Kandidatenland ungewöhnlich. "Erhebliche Divergenzen in der Iran-Causa" und "eine markant andere Politik gegenüber Israel" nannte der österreichische Außenminister Michael Spindelegger als Beispiele. "Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen wollen, muss die Türkei auch ein Zeichen (in diese Richtung) setzen."
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Denn das Ziel, das iranische Atomprogramm zu stoppen, haben EU und Türkei gemeinsam. Doch Ankara hatte gemeinsam mit Brasilien eine parallele Verhandlungsschiene eröffnet - und zwar nach Beurteilung von EU-Diplomaten keine sehr viel versprechende. Als die Union schließlich harte Sanktionen gegen den Iran verhängte, fühlte sich die Regierung in Ankara düpiert. Teheran hatte die Atomgespräche mit der Union davor stets ergebnislos verzögert.
Das Verhältnis der Türkei mit Israel hatte spätestens mit der blutigen Erstürmung der sogenannten Gaza-Flottille durch israelische Einsatzkräfte schweren Schaden genommen. Neun türkische pro-palästinensische Aktivisten waren dabei im Mai ums Leben gekommen. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sprach dem Staat Israel daraufhin die internationale Legitimität ab und bezichtige Tel Aviv des Mordes und der Piraterie. Die Rolle des Vermittlers im Nahen Osten habe Ankara dadurch auf viele Jahre verspielt, meinte ein Diplomat.
Zypern bremst
In den Beitrittsverhandlungen werden die meisten noch offenen Verhandlungskapitel entweder von Frankreich oder Zypern blockiert. Gegenüber Zypern gebe es eine "konkrete Nichterfüllung internationaler Verpflichtungen" durch die Türkei. Knapp vor der Eröffnung der Beitrittsverhandlungen hatten die Türken im Sommer 2005 nämlich die Ausweitung der Zollunion auf alle EU-Mitgliedsstaaten versprochen. Bis heute dürfen zypriotische Schiffe und Jets aber keine türkischen Häfen und Flughäfen ansteuern, weil Ankara den EU-Staat Zypern nicht anerkennt.