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EU-SP-Chef Schulz kritisiert Haltung Ankaras

Von Klaus Huhold

Europaarchiv

Europas Sozialdemokraten weiter für türkischen Beitritt. | Wien. "Die Türkei schwächt mit ihrem jetzigen Verhalten diejenigen, die in der EU auf ihrer Seite stehen", sagt der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Sozialdemokraten, Martin Schulz. Der 50-Jährige ist weiterhin ein Befürworter der EU-Beitrittsbemühungen der Türkei, doch bringt er wenig Verständnis für die beharrliche Weigerung Ankaras auf, seine Häfen für Waren des EU-Mitglieds Zypern zu öffnen. Stattdessen fordert er von dem Beitrittskandidaten, in absehbarer Zeit das so genannte Ankara-Protokoll zur Erweiterung der Zollunion auf Zypern umzusetzen. Doch auch Zypern müsse endlich seine starre, blockierende Haltung gegenüber der Türkei aufgeben und zu einer konstruktiven Lösung in der Streitfrage beitragen, meint der deutsche Sozialdemokrat.


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Die unnachgiebige Haltung Ankaras in der Zypern-Frage ist einer der Hauptkritikpunkte des ernüchternden Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Türkei. Doch kann es sich der türkische Premier Racip Tayyip Erdogan kaum leisten, in dieser Frage nachzugeben. Denn die Mehrheit seiner Landsleute hätte dafür keinerlei Verständnis, solange der türkische Teil Zyperns isoliert bleibt.

Der griechische Teil Zyperns spricht sich daher für einen vollkommen Abbruch der EU-Verhandlungen mit der Türkei aus. Als alternative Option zum weiteren Vorgehen gegenüber der Türkei wird in der EU ein Einfrieren der Gespräche über einzelne Verhandlungskapitel debattiert. Die Außenminister der EU beraten am Montag über eine gemeinsame Linie zur Türkei, doch eine tatsächliche Entscheidung über die weiteren Verhandlungen wird wohl erst beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 14. und 15. Dezember fallen.

EU-Verdrossenheit steigt

Auf Grund der jüngsten Entwicklungen macht sich in der Türkei eine immer größere EU-Verdrossenheit breit. "Die EU interessiert mich nicht mehr", meinte kürzlich der Kolumnist Behir Coskun in der auflagenstarken Zeitung "Hürriyet". Und Ex-Premier Mesut Yilmaz sprach sich gar dafür aus, von sich aus die Beitrittsverhandlungen zu unterbrechen und über einen "Sonderstatus" nachzudenken. Eine solche "privilegierte Partnerschaft" hat Ankara in der Vergangenheit immer abgelehnt.

Käme es zu einem Abbruch der Gespräche, bekämen die erstarkenden nationalistischen Kräfte in der Türkei weiteren Auftrieb. Eine Gefahr, auf die auch Schulz verweist. Erdogan und sein Außenminister Abdullah Gül seien durch ihre proeuropäische Politik innenpolitisch ohnehin schon ein hohes Risiko eingegangen. "Wenn wir ihnen jetzt den Stuhl vor die Türe stellen, dann sind sie verloren", sagt der EU-Politiker.