Rehn: Griechen müssen rasch neues Sparpaket vorlegen. | EU sieht Italien trotz Ratingwarnung auf gutem Kurs. | IWF trotz Sexaffäre handlungsfähig. | Wien. Die EU mahnt Investoren zur Geduld, Griechenland hingegen zur Eile: Schon in den nächsten Tagen müsse Athen erklären, wie es die Finanzlücke 2012 überbrücken will, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn bei einer Tagung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) in Wien. Premier Giorgos Papandreou muss also weitere Sparmaßnahmen aus dem Hut zaubern. Und das, obwohl der Rückhalt für seine Regierung in der Bevölkerung ohnehin schwindet. | Märkte strafen Spanien und Italien ab | Griechenland verkauft Staatsbesitz
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Dennoch: Der Sparkurs sei ohne Alternative, sagte Rehn. Die Griechen müssten dringend Budget-Überschüsse erzielen - also mehr an Steuern einnehmen, als sie (ohne Zinsen) ausgeben. Wenn darunter das Wachstum leidet, müsse man das in Kauf nehmen, so Rehn. Zuletzt wiesen die Griechen ein Mini-Plus von 0,8 Prozent auf.
Doch damit nicht genug: Auch die Privatisierung der Staatsbetriebe müsse Athen ernsthaft in Gang setzen. Rehn sieht darin "ein Schlüsselelement": Immerhin sollen 50 Milliarden Euro oder 20 Prozent der Wirtschaftsleistung erlöst werden. Über Varianten - etwa eine Treuhand wie nach dem Ende der DDR, welche den Verkauf der Staatsbetriebe abwickeln könnte - werde noch beraten.
"Kampf geht weiter"
Um die Auflagen aus dem Euro-Hilfspaket zu erfüllen, diskutierte die Regierung in Athen am Montag über noch schärfere Gehalts-Kürzungen und sogar Entlassungen bei Beamten und über eine höhere Mehrwertsteuer. Auch Besserverdienende und Immobilienbesitzer müssen sich auf höhere Steuern gefasst machen.
"Der Kampf wird fortgesetzt", sagte Premier Papandreou: "Für Mutlosigkeit ist dabei kein Platz." Auf dem Spiel steht die dringend benötigte nächste Kredittranche von 12 Milliarden Euro aus dem 110-Milliarden-Paket von EU und Währungsfonds. Über neue Hilfskredite - spekuliert wird über einen zusätzlichen Bedarf von 30 bis 60 Milliarden Euro - wollte ein Kommissionssprecher in Brüssel am Montag nicht sprechen.
Der Juni wird für die Eurozone jedenfalls ein wichtiger Monat, sagte Kommissar Rehn. Dann sollen die Banken-Stresstests Klarheit schaffen, welche Institute weiteren Kapitalbedarf haben. Die Schuldenkrise lasse sich nämlich nicht getrennt von der Bankenkrise lösen, so der Finne.
Überdies will die EU im Juni die Details für den permanenten Krisenmechanismus (ESM) klären, welcher ab 2013 den Euro-Rettungsschirm EFSF ablösen soll.
Von Investoren und kritische Kommentatoren fordert Rehn mehr Geduld: Auch wenn sich derzeit Reformmüdigkeit einstelle, sei Griechenland auf dem richtigen Weg. Bis Frühjahr 2011 habe das Land alle Sparvorgaben eingehalten, sein Defizit um 7 Prozentpunkte verringert und in einem Jahr 20 Milliarden Euro eingespart.
Eine Umschuldung oder ein Schuldenschnitt, welcher Banken und private Investoren, die griechische Schuldpapiere besitzen, zur Kasse bittet, liegt laut dem Kommissar nicht auf dem Tisch. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatte eine "Reprofilierung" griechischer Staatsschulden ins Spiel gebracht und damit wilde Spekulationen ausgelöst, über welche Umschuldungsformen die EU nun tatsächlich berät.
Neue Finanzkrise droht
Die Sorge vor allem in Notenbank-Kreisen ist, dass auch eine "sanfte" Umschuldung von den Märkten als Pleite im technischen Sinne bzw. Zahlungsausfall gewertet würde. Das könnte eine gewaltige Bankenkrise auslösen. Der Finanzsektor in Griechenland würde kollabieren - schließlich übersteigt der Wert griechischer Staatsschuldpapiere in den Büchern der Banken des Landes deren Kernkapital ums Doppelte. Auch Portugal, Irland und weitere Teile der Eurozone könnten bei einer Pleite von der Investorenpanik erfasst werden.
Rehn stellte in Wien klar, dass eine Verlängerung der Laufzeit von Schuldpapieren nur denkbar sei, wenn diese freiwillig erfolgt und von den Märkten nicht als Staatspleite im technischen Sinne gewertet wird. Wie berichtet, möchte er aber Anleihengläubiger dazu bewegen, ihre Investition in griechische Papiere freiwillig fortzuschreiben. Vorbild sei die "Vienna Initiative": Vor zwei Jahren stimmten die großen Banken zu, kein Geld aus ihren Osteuropa-Töchtern abzuziehen - sie verhinderten damit eine massive Verschärfung der Osteuropakrise.
Auch OeNB-Chef Nowotny hält es für wichtig, dass die Finanzinstitute in Griechenland im Boot gehalten werden können. Allerdings erinnerte er auch daran, dass die Wiener Initiative auch ein "proaktives Element" umfasste: Förderbanken wie die Europäische Entwicklungsbank EBRD und die Förderbank EIB hätten in den kriselnden Ländern Zentral- und Osteuropas Milliarden-Investitionen ermöglicht.
Ähnliches sei auch für die hochverschuldeten Länder der Euro-Peripherie vorstellbar. Wenn den Ländern zusätzlich zu den Sparauflagen auch eine Wachstumsperspektive geboten würde, so könnte das den Rückhalt der Regierungen in der Bevölkerung stärken.
IWF-Affäre kein Risiko
Die Sorge, dass mit Italien der nächste Dominostein fällt und ein Kandidat für den Rettungsschirm wird, teilt EU-Kommissar Olli Rehn nicht. Das Wachstum des Landes sei relativ stark (2012 sind 1,3 Prozent plus geplant) und es gebe ein klares Bekenntnis, das Defizit 2013 unter das Maastricht-Limit von 3 Prozent zu bringen. Spanien habe sich ebenfalls klar von den Problemen der Portugiesen entkoppeln können.
Journalisten wollten wissen, ob der führungslose Währungsfonds (IWF) nach der Sex-Affäre rund um Dominique Strauss-Kahn ein Problem werden könnte. Schließlich ist der IWF zentraler Partner bei den Euro-Rettungspaketen. "Der Währungsfonds ist eine sehr starke Institution und weiter in der Lage, die nötigen Entscheidungen zu treffen", versicherte Rehn: "Wir stehen täglich in Kontakt."