Opposition sträubt sich mit allen Mittel. | Holland pocht auf Mladic-Verhaftung. | Belgrad. In Belgrad waren die Besuche der früheren Chefanklägerin Carla Del Ponte gefürchtet. Denn von ihren Berichten vor der UNO hing auch das Tempo der weiteren EU-Annäherung Serbiens ab. Unter Del Pontes Nachfolger Serge Brammertz hat sich das Klima deutlich entspannt; einerseits ist der Stil von Brammertz weit sachlicher und auch zurückhaltender in der Öffentlichkeit; andererseits bemüht sich nun Belgrad wirklich umfassend mit dem Tribunal in Den Haag zusammenzuarbeiten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Trotzdem dürfte Brammertz in seinem Bericht Mitte Dezember an den UNO-Sicherheitsrat in New York keine klare Bewertung vornehmen, heißt es jedenfalls aus seiner Umgebung und aus Kreisen von EU-Diplomaten in Belgrad. Im Zauberwort volle Zusammenarbeit sieht Brammertz demnach eine politische Bewertung, die er nicht abgeben will.
Sicher dürfte sein, dass die prowestliche serbische Regierung nun alles tut, um den früheren General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, und den ehemaligen Chef der kroatischen Serben, Goran Hadzic, zu finden. Doch selbst wenn das Tribunal Serbien dies schwarz auf weiß bescheinigt, bringt das Belgrad Brüssel keinen Schritt näher. Grund dafür sind die Niederlande; sie wollen die Anwendung des EU-Vertrages über Stabilisierung und Assoziation erst gestatten, wenn Mladic gefasst ist.
Versäumnisse der neu gebildeten Regierung
Doch die Niederlande sind nicht der einzige Grund für das Schneckentempo, mit dem sich Belgrad derzeit auf Brüssel zubewegt. So hat es die neue Regierung nach mehr als 100 Tagen im Amt noch nicht ein Mal geschafft, den europäischen Integrationsrat zu bilden, der die Arbeit der Institutionen auf dem Weg Richtung EU koordinieren soll. Auch bei der Ausarbeitung und Verabschiedung von Gesetzen ist Serbien säumig, die eine Vorbedingung für den Kandidatenstatus sind.
Von 51 Gesetzen wurden bisher nur neun verabschiedet; 29 Gesetze sind erst in Ausarbeitung, während sich 12 bereits im Parlament befinden. Doch dort blockiert die nationalistische Opposition deren Verabschiedung mit allen Mitteln.
500 Abänderungsanträge hat die Opposition eingebracht; pro Antrag stehen 15 Minuten Redezeit zur Verfügung. Doch die Regierungsmehrheit hat es bisher nicht vermocht, eine neue Geschäftsordnung zu beschließen, um den Missbrauch des Parlaments zu beschränken.
Hält der derzeitige Kriechgang an, wird Serbien im Jahre 2009 wohl kaum den erstrebten EU-Kandidatenstatus erhalten können oder gar ernsthaft auf dem Weg Richtung EU vorankommen, selbst wenn Ratko Mladic bald gefasst werden sollte.