Nachzahlung in Höhe von bis zu 30 Millionen Euro - EU-Kommission: "Steuerlast wurde künstlich reduziert."
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Brüssel/Wien. Starbucks und Fiat haben sich illegale Steuervorteile verschafft. Zu diesem Schluss ist die Europäische Kommission am Mittwoch gekommen. Konkret geht es um Steuervorbescheide, die die Kaffeehauskette im Jahr 2008 in den Niederlanden und der Autohersteller im Jahr 2012 in Luxemburg erhalten haben. Die Kommission spricht von je 20 bis 30 Millionen Euro, die nachgezahlt werden müssen.
Bei den Betroffenen sorgte die Entscheidung für Aufruhr. Starbucks kündigte unverzüglich an, berufen zu wollen. Die Europäische Kommission hat dem amerikanischen Unternehmen zufolge grobe Beurteilungsfehler gemacht. Fiat wiederum erklärte, keinerlei Unterstützung von Luxemburg erhalten zu haben. Sowohl das Unternehmen als auch das Land erklärten, sich das Recht zu klagen vorzubehalten.
Europarechtsexperten zufolge könnte lediglich binnen zwei Monaten eine Nichtigkeitsklage am Gericht der Europäischen Union eingebracht werden. Aufschiebende Wirkung dürfte das allerdings nicht haben, das heißt, dass die Zahlung vorerst trotzdem zu erfolgen hat.
Die Europäische Kommission hat mit ihrer Entscheidung ein Zeichen für ihre Bestrebung gesetzt, die nationalen Steuersysteme dahingehend zu reformieren und zu harmonisieren, dass ein wettbewerbswidriger Missbrauch von Steuervorentscheidungen verhindert wird.
Steuerdeal ist an sichnicht illegal
Bei den umstrittenen Steuervorbescheiden geht es um hochlukrative Steueranreize, mit denen Länder wie Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz oder Irland über Jahre multinationale Konzerne ins Land gelockt haben. Dabei erhalten Unternehmen eine verbindliche Besteuerungsauskunft, bevor sie sich in einem Land niederlassen. Das an sich wäre noch nicht illegal. Werden jedoch exklusive Vorteile gewährt, die andere nicht erhalten, so verstößt dies gegen das Gleichbehandlungsgebot. Noch dazu sind die geschlossenen Abkommen auch bei "leichten Abweichungen" der späteren Sachverhalte verbindlich, grundsätzlich nicht öffentlich zugänglich und daher nur schwer nachprüfbar.
Im Februar 2015 hat das Europäische Parlament einen Sonderausschuss ins Leben gerufen, der "Steuervorbescheide und andere Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung" in den EU-Ländern gezielt untersucht. Experten gehen davon aus, dass sich hunderte Unternehmen über Steuervorbescheide Steuern in Milliardenhöhe sparen.
In den von der Kommission beanstandeten Fällen - eine Rösterei von Starbucks und die Finanztochter des Autoherstellers - gehe es um "sehr komplexe Regelungen", sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Mittwoch in Brüssel. Dadurch seien Gewinne innerhalb der gleichen Gruppe von einem Unternehmen zum anderen verlagert worden. "Die Steuervorbescheide haben künstlich die Steuerlast beider Konzerne reduziert", erklärte Vestager. "Die nationalen Steuerbehörden dürfen einem Unternehmen, egal wie groß oder mächtig es sein mag, keinen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen geben."
Starbucks hielt dem entgegen, dass das Unternehmen weltweit im Schnitt Körperschaftssteuer in Höhe von 33 Prozent zahle. Vestager zufolge hat sich diese vergangenes Jahr für die Rösterei in den Niederlanden allerdings auf weniger als 600.000 Euro belaufen. Fiat Finance and Trade wiederum habe weniger als 400.000 Euro Körperschaftssteuer in Luxemburg gezahlt. Bei der Fiat-Chrysler-Gruppe in Turin wollte man diese Zahl auf Nachfrage weder bestätigen noch verwerfen.
"Keine Strafe, kein Anreiz für Verhaltensänderung"
Bei der globalisierungskritischen Organisation Attac stieß die Verdonnerung zu Zahlungen in Höhe von 20 bis 30 Millionen Euro auf gemischte Gefühle. Sie begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission zwar grundsätzlich, allerdings sei diese "nur ein erster Schritt im Kampf gegen den Steuerwettlauf nach unten bei der Konzernbesteuerung". "Das sind für die Unternehmen natürlich nur Peanuts", erklärte Attac-Sprecher David Walch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Vor allem geht es hier nur um Nachzahlungen - Strafzahlungen gibt es keine", erklärte Walch. Dementsprechend gebe es für Konzerne überhaupt keinen Anreiz, sich anders zu verhalten, da im schlimmsten Fall nur gezahlt werden müsse, was ohnedies fällig gewesen wäre. "Es gibt auch keine Strafmaßnahmen gegen die Steuerverwaltung oder die Regierung - immerhin sind das ja Absprachen im beiderseitigen Einverständnis zwischen der Steuerbehörde und dem Konzern."
Betrag nicht "spektakulär", aber mehr als zuvor
Der nun angesetzte Millionenbetrag sei zwar nicht "spektakulär", aber immer noch "viel, viel mehr, als zuvor gezahlt worden ist", sagte Vestager. In einem nächsten Schritt werden die Niederlande und Luxemburg angewiesen, den offenen Betrag von Starbucks beziehungsweise Fiat Chrysler einzufordern, erklärte Carolina Luna Gordo, Pressebeauftragte für Wettbewerb der Europäischen Kommission. Da allerdings alle Betroffenen - Konzerne wie Länder - rechtliche Schritte überlegen, sagte Kommissarin Vestager: "Vielleicht sehen wir uns vor Gericht wieder."
Die Kommission hat angekündigt, auch weiterhin auf dem Gebiet zu ermitteln. Der Fokus liege derzeit auf Irland, Luxemburg und Belgien. Besondere Spannung bergen dabei zwei weitere, in der aktuellen Entscheidung nicht genannte Konzerne, gegen die die EU-Kommission seit mehr als einem Jahr ermittelt. Das sind Apple in Irland und Amazon in Luxemburg. Der Konzern für Computer- und Unterhaltungselektronik sowie der Internethändler dürften allerdings nicht mit so verhältnismäßig niedrigen Forderungen wie Fiat und Starbucks konfrontiert werden.