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EU startet spät ins Rohstoffrennen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Naturschutz hätte für Brüssel im Ernstfall den Nachrang. | Brüssel. Das weltweite Rennen um Rohstoffe ist längst in vollem Gange - die EU möchte endlich mitmischen. Nicht Öl, Gas oder Kohle stehen im Vordergrund, welche für die Energiegewinnung noch lange unverzichtbar sein werden. Denn auch ohne bestimmte nicht-energetische Rohstoffe könnten mehrere Industriesparten ihre Arbeit sofort einstellen.


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Sie tragen teils fremd klingende Namen wie Tantal, Kobalt oder seltene Erden; teils sind es bekanntere Stoffe wie Kupfer oder Graphit. Sie werden in High-Tech-Branchen zur Herstellung von Computern, Akkumulatoren, Solaranlagen, Windkraftwerken und Handys benötigt. Mehr als 30 Millionen Arbeitsplätze hängen laut Kommission direkt davon ab.

"Zugang zu und Leistbarkeit von mineralischen Rohstoffen sind entscheidend für das reibungslose Funktionieren der EU-Wirtschaft", heißt es in der EU-Rohstoffstrategie. Ein Strategiepapier für deren Umsetzung will Industriekommissar Antonio Tajani im Dezember vorstellen. Ein interner Entwurf liegt der "Wiener Zeitung" aber bereits vor. Darin schlägt die Kommission recht harsche Töne gegenüber Herkunftsländern der wichtigen Rohstoffe an. Denn erstes Ziel sei es, am Weltmarkt zu unverzerrten Bedingungen an die begehrten Mineralien und Metalle zu gelangen.

Kooperation nur, wenn Rohstoffzugang offen

So kommen etwa 97 Prozent der weltweiten Förderung von seltenen Erden aus China. Und die Chinesen haben nicht nur hohe Exportzölle verhängt, sondern zuletzt angekündigt, ihre Ausfuhr um bis zu 40 Prozent drosseln zu wollen. Hier winkt die Kommission unmissverständlich mit der WTO-Keule. Mit Genugtuung wird darauf verwiesen, dass die USA und Mexiko die Volksrepublik bereits im Vorjahr vor die Welthandelsorganisation (WTO) zitierten, weil China illegale Quoten, Exportzölle und Mindestexportpreise für Magnesium, Bauxit, Silikonmetalle und andere wichtige Rohstoffe verhängt hatte.

Nicht nur gegenüber strategischen Partnern soll der gleichberechtigte Zugang zu den Metallen und Mineralien ein fixer Bestandteil bei der Verhandlung von Kooperationsabkommen werden. Dazu zählen neben China auch die USA, Russland, Brasilien, Kanada, Indien und Japan. Auch anderen Drittstaaten - etwa in Afrika - könnten solche Abkommen bei Restriktionen beim Rohstoffzugang verwehrt werden, meinen Tajanis Beamte. Im Klartext heißt das, Hilfe beim Infrastrukturausbau oder Handelserleichterungen gibt es nur für andauernde Rohstofflieferungen.

Und auch der Naturschutz rückt im Ernstfall offenbar an die zweite Stelle, wenn die EU-Industrie seltene Metalle und Mineralien braucht: Ausdrücklich heißt es in dem Papier, dass es keinen automatischen Ausschluss von Bergbautätigkeiten abseits von Öl-, Gas- und Kohleförderung "in oder nahe Natura-2000-Gebieten" gebe, also den EU-rechtlich vorgeschriebenen Naturschutzgebieten. In gewissen Fällen wird sogar eine Art beschleunigtes Bewilligungsverfahren für den Abbau der wichtigen Rohstoffe in den ökologisch heiklen Regionen vorgeschlagen.

USA und Russland auch auf kritischer Liste

Einen besonderen Fokus richtet die Kommission bei ihren Bemühungen auf die Liste sogenannter kritischer Rohstoffe. Bei diesen gibt es "innerhalb der nächsten zehn Jahre ein besonders hohes Risiko eines Versorgungsengpasses bei gleichzeitig hoher Wichtigkeit in der Wertschöpfungskette", wie es in dem Papier heißt. Aktuell gelten Antimon, Beryllium, Kobalt, Fluorit, Gallium, Germanium, Graphit, Indium, Magnesium, Niobium, Platinummetalle, seltene Erden, Tantal und Wolfram als besonders begehrt.

Hauptherkunftsländer sind neben China die USA, Russland, Australien, Südafrika, die Demokratische Republik Kongo, Brasilien und Chile.