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EU-Starthilfe für Investoren

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Mit einem neuen Fonds will die EU-Kommission Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Euro ermöglichen.


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Brüssel/Straßburg. Eines musste den Europamandataren allemal gefallen: Dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sein Investitionsprogramm nicht in Brüssel, sondern bei der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses in Straßburg präsentierte, schmeichelte so manchem Parlamentarier. Deren Präsident Martin Schulz sprach gar von einer "Rückkehr der Gemeinschaftsmethode". Nach einer Krisenzeit, in der sich die Mitgliedstaaten viele Maßnahmen untereinander ausgemacht haben, sei es wieder nötig, mit den anderen EU-Institutionen zusammenzuarbeiten, befand der Sozialdemokrat.

Eine dieser Institutionen hat nun die Initiative übernommen, um die Investitionen in Europa anzukurbeln. Deren Niveau ist in den vergangenen Jahren im Vergleich zu 2007 immerhin um bis zu zwanzig Prozent zurückgegangen. Das soll sich in den kommenden drei Jahren ändern - mit einem Programm im Umfang von 315 Milliarden Euro. Davon sollen 75 Milliarden kleinen und mittleren Betrieben zugutekommen.

Diese Summe ist allerdings einem sogenannten Multiplikator-Effekt geschuldet. Zunächst einmal wird ein neuer Fonds bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtet, den diese mit fünf Milliarden Euro speist. 16 Milliarden Euro garantiert der EU-Haushalt, wovon acht Milliarden direkt dafür reserviert sind. Mit diesen 21 Milliarden Euro soll die EIB Kapital in Höhe von 60 Milliarden Euro aufnehmen und mit dieser Starthilfe um Investoren werben. Die sollen die Mittel dann verfünffachen. Ein Euro, so ist die Hoffnung, generiert auf diese Weise 15 Euro. Und Arbeitsplätze sollen damit ebenfalls geschaffen werden: rund eine Million bis zum Jahr 2017.

Weg von Subventionen, hin zu Krediten und Garantien

Es ist eine ehrgeizige Vorgabe, die schon im Vorfeld auch Zweifler auf den Plan gerufen hat. Die einen wollten mehr Mittel zur Verfügung gestellt sehen, die anderen fürchteten umgekehrt um die Sparziele der Mitgliedstaaten. Bei der Vorstellung seines Investitionsprogramms machte Juncker klar: "Wir haben keine Gelddruck-Maschine." Vielmehr werden vorhandene Quellen genutzt. So werden die Budgets der Länder nicht zusätzlich belastet und die Kriterien des Stabilitätspaktes für Haushaltsdisziplin nicht gebrochen. Das wäre allerdings auch nicht der Fall, wenn sich die Staaten an dem neuen Fonds beteiligen wollen. Als Anreiz dazu dient ihnen die Zusage der Kommission, dass Ausgaben für den Investitionstopf bei der Berechnung des Budgetdefizits nicht berücksichtigt werden.

Die Initiative geht aber über die finanzielle Unterstützung hinaus. Denn ebenfalls sollen bürokratische und regulatorische Hürden für Unternehmen abgebaut werden. "Wir brauchen einen ehrgeizigen Fahrplan, um Europa für Investoren attraktiver zu machen", betonte Juncker und rief zu einer "Koalition der Investitionswilligen" auf. Diesen sollen Projekte vorgelegt werden, die in den Ländern eingereicht werden. Über deren Prioritäten soll ein Gremium aus Experten und EIB-Vertretern entscheiden.

Ab Juni 2015 soll der Fonds operieren. Doch eine Überbrückungshilfe könne die EIB schon vorher gewähren, kündigte ihr Präsident Werner Hoyer an. Schon jetzt aber lobt er die "fundamentale Verschiebung" in der Einstellung zur wirtschaftlichen Hilfe: von Subventionen hin zu Krediten und Haftungen.

Nicht zuletzt die Garantie, dass Verluste bei Projekten vor allem von der EIB getragen werden, ist es auch, die Investoren anlocken soll. So sollen Vorhaben mit einem höheren Risiko ermöglicht werden, begründete der für Investitionen zuständige Vize-Kommissionspräsident Jyrki Katainen.

Hoyer war aber nicht der einzige, der einen Kurswechsel begrüßte. Auch die Sozialdemokraten im EU-Parlament freuten sich darüber - und sahen darin gleichzeitig einen Sieg für sich. Fraktionsvorsitzender Gianni Pittella ortete nämlich eine Abkehr von der von seinen Parteikollegen oft kritisierten reinen Sparpolitik der vorigen Kommission. Ebenso gern vernahm er, dass der Stabilitätspakt Raum für Flexibilität bietet.

Noch mehr Beifall erhielt Juncker von seiner Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei. Vorsitzender Manfred Weber sprach von einem "überzeugenden Vorschlag" und forderte die Mitgliedstaaten auf, ebenso einen Beitrag zu leisten.

Kritik kam hingegen von den Grünen und Linken. Die angekündigte "Hebelwirkung" sei illusorisch, meinte die Grüne-Abgeordnete Monika Vana. Für den Linken Mandatar Dimitrios Papadimoulis erweist sich das Paket als leer: Es enthalte nämlich "nicht einen Euro frisches Geld".

Projekte aus Österreich im Umfang von 28 Milliarden Euro

Über die Größe der Investitionslücke in Europa gibt es unterdessen unter Politikern und Experten verschiedene Auffassungen. Während der Vorsitzende der liberalen Fraktion im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, einen Bedarf von 700 Milliarden Euro ortet, hat die Brüsseler Denkfabrik Bruegel errechnet, dass die Lücke rund 260 Milliarden Euro beträgt. Und diese Summe verringert sich noch um hundert Milliarden Euro, wenn der Bausektor nicht berücksichtigt wird.

In Wirtschaftskreisen stößt der Plan der Kommission jedenfalls größtenteils auf Zustimmung. Die Industrie erhofft sich davon wichtige Impulse, die zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU führen könnten. So ortete der Generaldirektor des Industrie-Dachverbandes Businesseurope, Markus Beyrer, bereits einen guten Start. Die Notwendigkeit des Abbaus bürokratischer Hindernisse betont auch er. Eine positive erste Bewertung des Programms kam ebenfalls aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie.

Unterstützung gab es auch aus der Regierung in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel begrüßte "im Grundsatz" den Vorschlag der Kommission. Allerdings dürfe nicht auf weitere Strukturreformen vergessen werden. Der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wiederum drängte auf eine rasche Umsetzung des Plans. Im Finanzministerium in Wien wurden bereits Projekte im Umfang von 28 Milliarden Euro eingereicht.