)
Kompromissvorschlag Portugals hat Chancen auf Erfolg. | Subventionen oder Fonds zur Universaldienst-Finanzierung. | Brüssel. Die EU steht offenbar vor einer Einigung auf ein Ende des Briefmonopols. Es gebe "keine großen Haken mehr", heißt es in Diplomatenkreisen. Waren die Positionen zur kompletten Liberalisierung des pro Jahr rund 90 Milliarden Euro schweren Postmarktes noch im Frühjahr völlig festgefahren, scheinen sich die Mitgliedsstaaten jetzt auf Basis eines portugiesischen Kompromissvorschlags einigen zu können, der der "Wiener Zeitung" in Kopie vorliegt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bei ihrem Treffen am 1. Oktober müssen die zuständigen EU-Minister noch das endgültige Liberalisierungsdatum festlegen: In Anlehnung an die Abstimmung des EU-Parlaments im Juli schlagen die derzeit der EU vorsitzenden Portugiesen das Ende der letzten bestehenden Monopols für Briefsendungen bis 50 Gramm spätestens Ende 2010 vor. EU-Länder, die 2004 oder später beigetreten, besonders klein sind oder viele Inseln haben, dürfen mit der Marktöffnung zwei Jahre länger warten. Anders als bei der Parlamentsposition sollen die Mitgliedsstaaten, welche die Verlängerung wünschen, direkt in der Richtlinie angeführt werden. Die EU-Kommission hatte ursprünglich die Vollliberalisierung ab 2009 verlangt.
Das Zentrum der Differenzen im Frühjahr war die Finanzierung des flächendeckenden Universaldienstes trotz Totalliberalisierung. So soll grundsätzlich zumindest an jedem Werktag die Post einmal zugestellt und einmal abgeholt werden. Vor allem Hardliner Frankreich ist von seiner Forderung eines detaillierten Berechnungsschemas für die Nettokosten des Universaldienstes sowie konkreter Finanzierungsmodelle abgerückt. Sollten Nettokosten anfallen, dürfen sich die EU-Länder künftig aussuchen, ob die öffentliche Hand die Universaldienstleister entschädigt oder zur Kostendeckung sämtliche Postdienstanbieter in einen Fonds einzahlen.
K urierdienste zur Kasse
Neben der Festlegung des Datums liegt hier der zweite Diskussionsschwerpunkt für die Minister: Italien, Frankreich, Spanien und einige andere Länder wollen nicht ausschließen, dass künftig auch Express- und Kurierdienste zur Kasse gebeten werden sollen. Vor allem die EU-Kommission, aber auch Deutschland sollen diese Dienste eher aussparen wollen, da sie für die Erfüllung des Universaldienstes nicht geeignet seien.
Als Fixkandidaten für die Beibehaltung des Briefmonopols bis Ende 2012 gelten Luxemburg und Griechenland. Von den neuen Mitgliedsländern sollen etwa Polen, Ungarn und die Slowakei Interesse bekundet haben. Die Portugiesen hoffen nun, dass die Liste nicht zu lange wird - der Grundgedanke der gemeinsamen Marktöffnung würde sonst konterkariert. Diplomaten anderer Länder geben sich pragmatischer: Alle neuen EU-Länder plus Luxemburg und Griechenland hätte zusammen bloß 15 Prozent des EU-Postmarktes. Diese wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit müsse im Auge behalten werden. Und schließlich ist noch eine so genannte Gegenseitigkeitsklausel im Gespräch. Demnach soll jenen Mitgliedsstaaten, die per Ende 2010 liberalisieren, erlaubt sein, die verbliebenen Monopolisten der anderen Länder von ihrem Markt fern zu halten.