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Die EU sinkt zurück in die Beschäftigung mit sich selbst. Eigentlich hätten sich die Staats- und Regierungschefs Ende der Woche mit weltbewegenden Themen wie den hohen Ölpreisen und dem Klimaschutz beschäftigen sollen. Doch nach dem Nein der Iren zum Reformvertrag von Lissabon gibt es nur eine Sorge: Wie kann die Weiterentwicklung der EU-Institutionen inklusive effizienterer Abstimmungsmechanismen doch noch erreicht werden? Es wird viel spekuliert; nur Tage nach der Ablehnung wird neuerdings überlegt, Irland in Form einer Übergangsfrist eine zweite Chance zu geben. | Denn all die schönen Pläne von einem gemeinsamen Außenminister, der gleichzeitig Vizepräsident der EU-Kommission ist, einem neuen Präsidenten des Rats der Staats- und Regierungschefs, von mehr Kontinuität in der Politik, von einem EU-Diplomatenkorps in fast allen Ländern der Welt würden sonst zu einer Randnotiz der Geschichte verkommen.
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Doch zu überwältigend ist der Wille zur Reform: Nach den Außenministern heute, Montag, werden sich auch die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag damit beschäftigen. Irlands Premier David Cowen bekräftigte bereits, dass er den Fortschritt Europas trotz abschlägigem Referendum nicht aufhalten wolle. Auf seine Ideen zur Lösung der Krise sind die anderen EU-Mitglieder schon gespannt.
Ein plausibler Ausweg, der in Brüssel kursiert, ist: 26 Mitgliedsstaaten ratifizieren den Vertrag - Irland darf nachziehen. Das Land erhielte etwa fünf Extra-Jahre für die Ratifizierung des Lissabonner Vertrags, müsste sich allerdings insgeheim verpflichten, bald erneut das Volk zu befragen. Ein weiteres Referendum in Irland käme aber einer Abstimmung über den EU-Austritt gleich. Selbst kritische Stimmen zählen dann auf ein Ja von der grünen Insel.
Denn ein Ausscheiden Irlands aus der EU wäre nach den rund 40 Milliarden Euro verblüffend, die seit Irlands Beitritt 1973 aus dem Brüsseler Budget in den Aufbau der irischen Wirtschaft geflossen sind.
Überdies wird die Unabhängigkeit der Insel nur durch die EU gewährleistet - obwohl gerade die Exponenten des Nein drastisch eine Gefährdung der Unabhängigkeit beschworen haben. So haben die Iren vor ihrem Beitritt mehr als 55 Prozent ihres Außenhandels mit der früheren Kolonialmacht Großbritannien betrieben, was eine starke Abhängigkeit bedeutet hat. 2005 betrug dieser Anteil hingegen nur noch 17 Prozent.
Daher wird den Iren im Endeffekt nichts anderes übrig bleiben, als der Reform der EU zuzustimmen. Die Deutschen, die den Lissabonner Vertrag im Wesentlichen ausverhandelt haben, und die Franzosen, die Anfang Juli den EU-Vorsitz übernehmen, lassen keinen Zweifel daran, dass die Ratifizierung unverändert fortgesetzt werden soll. Auch Großbritannien, wo es ebenfalls heftige Widerstände gibt, hat diese Marschrichtung jedenfalls schon bestätigt.
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