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EU-Stoppschild für die Serben?

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Spindelegger fordert Ausforschung der Täter, die Kfor-Soldaten angriffen.


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Brüssel. Die Chancen für einen raschen Kandidatenstatus für Serbien werden immer kleiner. Auch Montenegro wird seine Beitrittsverhandlungen voraussichtlich nicht demnächst beginnen können. Die endgültige Entscheidung fällt für beide zwar erst beim EU-Gipfel Ende nächster Woche. Dass es noch eine Wende zum Positiven gibt, halten Diplomaten aber für fast ausgeschlossen. Vor allem Deutschland will "kein zweites Zypern" in der offiziellen Warteschlange zum EU-Beitritt - die geteilte Mittelmeerinsel belastet die EU-Beziehungen zur Türkei.

Die heftigen Zusammenstöße zwischen Serben und Kfor-Truppen im Nordkosovo haben die Lage zuletzt noch deutlich verschärft. Auch der österreichische Außenminister Michael Spindelegger - im Grunde ein starker Befürworter des serbischen Kandidatenstatus - äußerte bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen am Donnerstag "Bedenken" bezüglich weiterer Annäherungsschritte Serbiens an die EU. Es sei nunmehr absolut notwendig, dass nicht nur Serbiens Präsident Boris Tadic etwas dazu sage, "sondern dass Taten folgen, dass die Täter ausgeforscht und verurteilt werden und dass sich alle dazu bereit erklären, so etwas nicht mehr geschehen zu lassen, so der Vizekanzler. Er sprach von einer "strengen Verurteilung der Gewalteskalation". Inzwischen würden Heckenschützen Kfor-Soldaten aus großer Entfernung mit scharfer Munition ins Visier nehmen und Sprengkörper von serbischer Seite eingesetzt.

Ebenso deutlich legte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière die Berliner Position dar: "Jeden Tag, der so vergeht wie jetzt, entfernt sich Serbien von seinem Kandidatenstatus." Denn der serbische Einfluss auf die serbischstämmige Bevölkerung im Norden des Kosovo sei stark und müsse besser genutzt werden, um eine friedliche Entwicklung unter Einhaltung des Völkerrechts durchzusetzen.

Spindelegger verlangte "substanzielle Fortschritte beim Grenzmanagement" und "Schritte in Richtung Aufklärung der Straftaten", bevor Österreich Serbien als formellem EU-Kandidaten zustimmen könne.

Und auch im EU-Parlament regt sich Widerstand: Kosovo-Berichterstatterin Ulrike Lunacek forderte eine "massive Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen" als Voraussetzung für den Kandidatenstatus Serbiens. Zuletzt waren bei serbischen Krawallen im Nordkosovo elf österreichische und 19 deutsche Kfor-Soldaten verletzt worden.

Am Samstag will Boris Tadic einen letzten Anlauf nehmen und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel in Berlin umstimmen. Er hatte die serbischen Nordkosovaren am Dienstag erstmals öffentlich (und erfolglos) dazu aufgerufen, ihre Straßensperren aufzugeben.

Gemeinsam mit Deutschland stünden Frankreich und die Niederlande "aus prinzipiellen Gründen stark auf der Bremse", wenn es um weitere EU-Annäherungen am Westbalkan nach Kroatien geht, meinte ein Diplomat. Montenegro könnte immerhin eine Entscheidung über den Start der Beitrittsverhandlungen beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs im Juni 2012 zugesagt werden.