Hohe Kosten, wenig Rechtssicherheit. | Gemeinsames | Ausbaustufe. | Brüssel. Erfindungen sind für den Fortschritt der Menschheit entscheidend. Doch in der EU ist es nicht so leicht, sich seine Schöpfungen auch wirkungsvoll patentieren zu lassen. Es müsse eine einheitliche Rechtsprechung für Europäische Patente verwirklicht und die Schaffung eines gemeinsamen EU-Patents vorangetrieben werden, heißt es in dem der "Wiener Zeitung" vorliegenden Entwurf eines Strategiepapiers von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Denn ein eigenes EU-Patent liegt schon geraume Zeit im Koma. Vor allem die Frage, in wie viele Sprachen jeder einzelne Erfindungsschutz übersetzt werden müsse, blockiert das Projekt. Es gibt zwar ein Europäisches Patentamt (EPA) in München, das hat mit der EU aber nichts zu tun. Es hat seit 1980 etwa 800.000 Patente genehmigt. Seine Kompetenz beschränkt sich allerdings auf ein einheitliches Verfahren zur Gewährung des so genannten Europäischen Patents. In Wirklichkeit erwirbt der Erfinder ein Bündel aus nationalen Patenten. Er muss es in alle Sprachen jener Länder übersetzen lassen, in denen er das Patent erworben hat. Mehr als 30.000 Euro kostet der Standardschutz einer Erfindung im Schnitt. Davon entfallen nach Angaben des EPA knapp 38 Prozent allein auf die Übersetzungen. Zum Vergleich: In den USA ist man da schon mit rund einem Drittel des Preises dabei. Und der EU-Erfinder müsste gegen Unternehmen, die seine geschützten Erfindungen illegal nutzen, dann auch noch in jedem einzelnen Land nach dortigem Recht klagen.
Teurer Instanzenzug
Die Kosten für derartige Verfahren variierten von Land zu Land, heißt es in dem Entwurf. So seien etwa in Großbritannien zwischen 150.000 und 1,5 Millionen Euro für eine Entscheidung in erster Instanz fällig und noch einmal 150.000 bis eine Million für das Berufungsverfahren. In den Niederlanden komme man mit 60.000 bis 200.000 plus 40.000 bis 150.000 für den vollen Instanzenlauf davon.
Doch auch die Regelung der rechtlichen Durchsetzbarkeit zwingt das gemeinsame EU-Patent seit Jahren auf die Intensivstation. Jetzt will die Kommission Synergien nutzen. Denn es gibt bereits weit gediehene Pläne der Europäischen Patentorganisation (EPO) - die völkerrechtliche Vereinigung ist Schutzmacht des EPA und hat mit der EU nichts zu tun - für klare Durchsetzungsregeln des Europäischen Patents. Im so genannten Europäischen Abkommen für Patentstreitigkeiten (EPLA) ist ein eigener Europäischer Patentgerichtshof geplant, der nach den Regeln des ihn konstituierenden Abkommens Recht sprechen soll; vergleichbar dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und der Menschenrechtskonvention. Bis zu 45 Prozent der Kosten in erster Instanz und 43 Prozent für die Berufung könnten bei Patentverletzungen eingespart werden, rechnet die Kommission. Für Klein- und Mittelbetriebe (KMU) überlegt sie Erleichterungen wie reduzierte Gerichtsgebühren. Darüber hinaus harrt das so genannte London-Protokoll für die Regelung der notwendigen Übersetzungen seiner Umsetzung. Dabei verzichten die Vertragsstaaten weitgehend auf die Übersetzung des Patents in ihre Landessprache. Es laufe auf Englisch, Französisch und Deutsch hinaus, heißt es aus dem EPA.
Um die Hälfte billiger
Das Einsparungspotential betrage bis zu 50 Prozent der Übersetzungskosten, der Preis für ein Patent könne im Idealfall von 30.000 Euro auf 20.000 gedrückt werden. Die Kommission rechnet immer noch mit bis zu 3500 Euro Ersparnis im Schnitt. Deshalb will sie die Mitgliedsstaaten aufrufen, diese beiden Abkommen so rasch wie möglich Realität werden zu lassen. Daneben sollen die EU-Länder die Arbeiten an einem eigenen EU-Patent wieder aufnehmen. Die Abkommen der EPO sollen den Weg dorthin ebnen und inhaltlich in die Endausbaustufe einfließen.
Kritik von Frankreich
Industrie- und KMU-Verbände fordern die Umsetzung von EPLA und London-Protokoll seit langem vehement. Unter den Mitgliedsstaaten ist das jedoch umstritten. Schon die geplante Erwähnung des EPLA in den Schlussfolgerungen des Wirtschaftsministerrates gestern, Montag, sorgte für heftige Kontroversen. Vor allem Frankreich sträube sich dagegen, hieß es. Paris wolle sich - wenig aussichtsreich - auf eine reine EU-Lösung ohne EPO konzentrieren. Und auch der geplante Termin für die Präsentation von McCreevys Strategiepapier Mitte Dezember wackelt kräftig. Experten sprechen von einer Verschiebung auf nächstes Jahr.