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Nach den Ausschreitungen in Göteborg begibt sich die EU auf die Suche nach einer gemeinsamen Strategie gegen herumreisende Gewalttäter.
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An Tagen wie diesen ist das hermetisch abgeriegelte Konferenzzentrum der sicherste Ort. Wenn die Teilnehmer am EU-Rat aus Sicherheitsgründen kurzer Hand ihre Hoteladresse wechseln müssen und auf Feuerleitern steigen, ist tatsächlich Feuer am Dach des Hauses Europa. Fast 600 festgenommene Demonstranten, 80 Verletzte - darunter 20 Polizisten und ein schwerverletzter Jugendlicher; er ist, nachdem er Pflastersteine geworfen hatte, von einem Polizisten "aus Notwehr" angeschossen worden und seither in Lebensgefahr. Das ist die vorläufige Bilanz der Krawalle von Göteborg.
Schwedens Regierung hatte auf Konsens gesetzt und ist mit seiner Strategie der Deeskalation kläglich gescheitert. Noch am Vortag des Gipfels war Premierminister Göran Persson, bis Ende des Monats EU-Vorsitzender, mit mehr als 300 EU-kritischen Demonstranten zusammen getroffen. Andere protestierten gegen US-Präsident George Bush oder für den Umweltschutz. In Schulen und Zelten waren sie untergebracht. Doch der Protest beschränkte sich nicht auf entblößte Hinterteile und Blumenkränze tragende Demonstranten. In Bussen kamen sie angereist. Die Schlagstöcke, die die Polizei vorfand, wurden beschlagnahmt, die Gruppen ließ man weiterziehen in die Göteborger Innenstadt. Als die Situation eskalierte, setzte die Polizei Pferde ein und später Schusswaffen. Der Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas ist der schwedischen Polizei verboten. Das könnte sich in Zukunft ändern.
Kritiker schütteln den Kopf über das Vorgehen und konstatieren "totale Desorganisation". Die Sicherheitskräfte seien den organisierten Krawallgruppen, unter ihnen auch Deutsche und Dänen, nicht gewachsen gewesen. Vorübergehend hat Schweden das Schengener Abkommen für den Bezirk Göteborg außer Kraft gesetzt. Premier Persson bezeichnete die Ausschreitungen als Tragödie, die es in Schweden noch nie gegeben habe. Der deutsche Innenminister Otto Schily will prüfen, ob - so wie bei Fußballhooligans - die Reisefreiheit gewalttätiger Demonstranten eingeschränkt werden kann. Die Außen- und die Innenminister Schwedens, Belgiens und Frankreichs wollen Beratungen aufnehmen.