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Kovacs: Bisher | wenig Unterstützung für Reverse-Charge. | "Junktim zu Mehrwertsteuerreform nicht mehr erwähnt". | Brüssel/Berlin. Die Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs im Umfang von rund 60 Milliarden Euro im Jahr beschäftigt die Finanzminister der Europäischen Union bei ihrem Treffen heute, Freitag, und morgen in Berlin. Der deutsche Finanzminister und amtierende Ratsvorsitzende Peer Steinbrück will die Diskussionen bei diesem informellen Ecofin-Rat auf das von ihm dafür favorisierte Reverse-Charge-Modell fokussieren, das auch Österreich gerne einführen würde.
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Die einheitliche Bemessungsbasis für Unternehmenssteuer vermisst der österreichische Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter dagegen auf der Agenda. Er plant eine "Koalition der Willigen", die in diese Richtung voranschreiten soll. Das sei zwar "von der Zielsetzung her positiv", sagte Steuerkommissar Laszlo Kovacs im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", "von der Wahl des Zeitpunkts jedoch nicht." Denn es sei mit den Deutschen vereinbart worden, dieses Thema beim Treffen der EU-Finanzminister im Juni zu behandeln.
Bis dahin werde die Kommission Anfang Mai noch einen Sonderbericht präsentieren, der bei einer internationalen Konferenz in Berlin evaluiert werde. Österreich solle die Angelegenheit also "besser entlang des vereinbarten Wegs laufen lassen."
"Minister sind oft
flexibler als Experten"
Deutschland droht indes fortwährend, eine seit mehr als einem Jahr blockierte Reform der EU-Mehrwertsteuergesetze nur weiter zu behandeln, wenn es Reverse-Charge einführen dürfe. Er sei "vor allem gegen jede Art der Verknüpfung" dieser beiden Themen, sagte Kovacs.
Ihm gegenüber habe Steinbrück dieses Jahr auch nichts mehr von dem Junktim erwähnt. Und gegen das Reverse-Charge-Modell an sich habe er nichts, betonte Kovacs. Das Problem damit sei nur, dass "auf Expertenebene viele Staaten abgeneigt sind", es zu unterstützen - für eine Einführung braucht es aber eine einstimmige Entscheidung der EU-Länder.
Allerdings seien "Minister oft flexibler und positiver eingestellt als Experten." Sollte es also eine "starke Unterstützung einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten" geben, werde die Kommission die von Deutschland vorgeschlagene optionale Reverse-Charge weiter behandeln.
Dabei soll die Steuerschuld bei Geschäften über 5000 Euro an das Ende der Lieferkette zum Endabnehmer verlegt werden. Die Möglichkeit, Vorsteuer vom Finanzamt zurückzufordern, entfiele für die Unternehmen. Bei der bisher gängigen Betrugsvariante kassierten Firmen - vielfach aufgrund von Scheingeschäften - die Vorsteuer und verschwanden.
Bei einem Wienbesuch Mitte März hatte Kovacs die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Österreich und Deutschland einen Pilotversuch in Sachen Reverse-Charge durchführen könnten. Allerdings sei dies nicht die offizielle Position der Kommission.
Reverse-Charge sei lediglich eine von drei Möglichkeiten, den Mehrwertsteuerbetrug zu unterbinden, sagte Kovacs. So sei die verstärkte Kooperation der Mitgliedstaaten und ihrer Steuerbehörden zum schnelleren Informationsaustausch unumstritten.
Das könne eben mit dem Reverse-Charge-Modell oder dem so genannten Intra-Community-Supply kombiniert werden, bei dem die Steuer "ganz am Anfang der Lieferkette" anfiele.
Österreich hofft auf EU-Mehrwertsteuerreform
Steinbrück habe ihm darüber hinaus erklärt, er hoffe die EU-Mehrwertsteuerreform noch im Juni verabschieden zu können, sagte Kovacs. Der darin enthaltene Wechsel des Besteuerungsorts für grenzüberschreitende Dienstleistung vom Ursprungszum Zielland hat für Österreich entscheidende Bedeutung.
Derzeit schützt das Land nur ein EU-widriges Gesetz gegen den Verlust von rund 400 Millionen Euro pro Jahr an Steuern auf in Deutschland geleaster Kfz, die vornehmlich in Österreich genutzt werden. Gehe die Reform im Juni durch, könne ein entsprechendes EU-Strafverfahren gegen Österreich eingestellt werden.