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EU sucht wieder die Nähe zu USA

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Die künftige EU-Verteidigungspolitik und das Verhältnis der Union zu den USA steht diese Woche wieder auf der Tagesordnung. Die EU-Außenminister werden heute in Brüssel gemeinsame Beratungen mit den Verteidigungsministern der Mitgliedstaaten in Sachen Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik abhalten. Morgen soll erstmals US-Außenminister Colin Powell am EU-Außenministerrat teilnehmen.


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Es ist viel die Rede von der Achse Paris-Berlin. Doch von der umstrittenen Forderung nach einem eigenen Planungsquartier für militärische Missionen der EU in Brüssel distanziert sich Berlin offenbar wieder. Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg hatten auf dem Höhepunkt des Konfliktes mit den USA über den Irak-Krieg im April ein unabhängiges Hauptquartier für die EU-Militärplanung angeregt. Die Idee war in Großbritannien und den USA auf scharfe Kritik gestoßen; sie befürchteten eine Unterminierung der NATO-Struktur. Die Kontinentaleuropäer stellten das in Abrede.

Nun unterstütze Deutschland eine Kerneinheit, die weder Konkurrenz zur NATO noch deren Kopie sein soll, sagte Außenminister Joschka Fischer vergangene Woche. "Ich glaube nicht, dass ein weiteres Hauptquartier wie Shape nötig ist", meinte Fischer unter Hinweis auf die NATO-Planungseinheit im belgischen Mons. "Es gibt ein NATO-Planungsquartier und Hauptquartiere in Großbritannien, Frankreich und Deutschland". Die Annäherung an die USA soll auf diplomatischem Weg wieder vorankommen; diese Woche reisen denn auch aus Deutschland Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie Außenminister Fischer selbst in die USA.

Ob allerdings Europäer und Amerikaner auch in der Frage des Austausches von Flugpassagierdaten aufeinander zugehen können, bleibt abzuwarten. Es ist zu erwarten, dass Powell diesbezüglich beim EU-Außenministertreffen intervenieren wird. Gegen die Preisgabe von Personendaten mit dem Argument der USA, besser den internationalen Terrorismus bekämpfen zu können, ist vor allem das Europa-Parlament. Die EU-Abgeordneten lehnten die Maßnahme als "unverhältnismäßig" ab.

Problematischer EU-Vorsitz

Über die wohlwollende Haltung des italienischen Premiers und amtierenden EU-Ratspräsidenten, Silvio Berlusconi, in Bezug auf die USA besteht kein Zweifel. Auch nicht nach dem verheerenden Anschlag auf italienische Soldaten, die im Irak stationiert waren. Berlusconi reist diese Woche ebenfalls in die Vereinigten Staaten und spricht morgen vor dem UNO-Sicherheitsrat in New York. Seinen EU-Kollegen bereitet Berlusconi jedoch wenig Freude. Jüngster Stein des Anstoßes: Die Schützenhilfe des EU-Ratsvorsitzenden für Russlands Präsident Wladimir Putin; dessen Vorgehen in Tschetschenien und in der Affäre Yukos war heftig kritisiert worden. Berlusconi hatte sich beim EU-Russland-Gipfel hinter Putin gestellt und gemeint, die Medien erzählten "Märchen".

Die EU-Außenminister sollen bei ihrem Treffen in Brüssel deutliche Kritik an Italien äußern. Die italienische Ratspräsidentschaft "kann nicht im Namen der EU reden, wenn die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht ihrer Meinung ist", kritisierte im Vorfeld ein EU-Diplomat. Auch das EU-Parlament wird sich zu Berlusconi äußern.

Die EU-Außenminister werden sich morgen zudem mit der neuen Verfassung beschäftigen. Es ist die laut Fahrplan letzte ministerielle Beratungsrunde vor dem Konklave Ende des Monats in Neapel. Dort soll der italienische EU-Vorsitz einen adaptierten Entwurf vorlegen, der die Änderungswünsche der Mitgliedstaaten möglichst zusammenführen soll.

Heftige Kritik an der Regierungskonferenz zur EU-Verfassung und wie mit dem vom Reformkonvent vorgelegten Entwurf umgegangen wird, üben Europa-Parlamentarier, die am Konventstext mitgearbeitet hatten. SPÖ-EU-Abg. Maria Berger verglich die Regierungskonferenz (wo die Staats- und Regierungschefs unter Mithilfe der Außenminister entscheiden) sogar mit der afghanischen Loya Jirga. Das ist jene große Ratsversammlung in Afghanistan, die nun über den Verfassungsentwurf berät, den eine Kommission erarbeitet hat. Berger stößt sich daran, dass mit der Verfassung - anders als im Entwurf vorgesehen - kein eigener Legislativrat geschaffen werden soll. Dabei wäre der Legislativrat "eine wichtige demokratische Errungenschaft zur Ausübung der Mitentscheidungsbefugnisse des Rates in der Gesetzgebung"; durch ihn wäre eine klare Trennung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung gegeben, so Berger.

63 führende Europa-Politiker aller Fraktionen haben daher eine Petition für die Einrichtung eines gesetzgebenden Ministerrates unterzeichnet. Unter ihnen auch die arrivierten EU-Abg. Elmar Brok von der CDU und Andrew Duff von den britischen Liberalen.