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EU - The Next Generation

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Am 9. Mai 1950 hielt Frankreichs Außenminister Robert Schuman eine Rede, in der er die Gründung einer Kohle- und Stahlgemeinschaft in Europa vorschlug. Es war die Geburtsstunde der EU. Am 8. Mai gedachte Österreich der Befreiung von der Nazi-Herrschaft. 6 Millionen ermordete Juden, davon 1,5 Millionen Kinder - das 20. Jahrhundert wurde das "Jahrhundert der Wölfe" genannt. Daran sollte in der Tat gedacht werden, wenn die EU in diesen Mai-Tagen wieder einmal auf das scheinbar unregierbar gewordene Griechenland schaut. Und sie wäre gut beraten, sich den nächsten Schritt zu überlegen. Denn Griechenland ist auch unregierbar, weil es keine europäische Regierung gibt, keine politische Union. Wenn Regierungschefs nun den Frieden in Europa preisen, sollte ihnen klar sein, dass sie jene Politikergeneration sein sollten, die den nächsten Schritt zur Vertiefung Europas geht.

Denn die Zeit wird langsam knapp, die Ungleichgewichte in Europas Wirtschaft und die Finanz- und Schuldenkrise schwemmen erneut radikale Kräfte nach oben. Auch Adolf Hitler wurde erst durch eine - wenngleich halbfreie - Wahl an die Macht gespült. Wenn Europas Politik die Krise also beenden will, muss sie das Diktat der bald 28 Nationen über die EU beenden. Es bleibt ihr auch gar nichts anderes übrig. Mit Ausnahme der Schweiz und Norwegens sind alle reichen Länder Europas bereits in der EU. Jede Erweiterung bringt potenzielle Problemländer in die EU, doch die Balkanstaaten nicht aufzunehmen wäre töricht und dem europäischen Gedanken fremd.

Und da die EZB nicht beliebig viel Geld drucken kann, damit Staaten ihre Rechnungen und Gehälter bezahlen können, braucht es eine politische Klammer, die stärker ist als regelmäßige Sitzungen der Regierungschefs. Es kann nicht sein, dass Großbritannien aus purem Eigeninteresse die notwendige Banken-Regulierung blockiert. Und es kann nicht sein, dass nur Deutschland, Österreich und Polen über leistungsfähige Produktionsbetriebe verfügen. Europa braucht eine gemeinsame Politik, die über die Sonntagsreden des Kommissionspräsidenten hinausgeht.

Wenn die Regierungschefs das nicht kapieren, dann werden der 9. Mai und Schuman zur Folklore werden, und aus dem reichsten Gebilde der Welt wird eine Ansammlung von semi-demokratischen Zwergen, die den globalen Anforderungen hilflos gegenüberstehen und die Freiheit geringschätzen.