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EU-Topjobs: Spannung vor Entscheidungsgipfel

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Überraschungssieger möglich. | Schüssel hat Außenseiterchancen. | Brüssel. Es herrscht Hochspannung bis zuletzt: Am 1. Dezember tritt der Lissabonner Vertrag als neue EU-Rechtsgrundlage in Kraft; zeitgleich sollen mit dem EU-Ratspräsidenten und dem EU-Außenminister die zwei neuen Spitzenrepräsentanten der Union ihr Amt antreten. | Aufstand der Frauen gegen EU-Spitze | Interview mit Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer


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Wer das sein soll, möchte der schwedische Premier und amtierende EU-Vorsitzende Fredrik Reinfeldt heute bei einem Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs klären. Doch von einer Einigung scheinen die 27 Mitgliedsländer weit entfernt. Gerechnet wird mit einem gnadenlosen Feilschen bis spät in die Nacht. Sollte das nicht reichen, so gebe es ja auch noch einen Freitag, Samstag und Sonntag, so die schwedische Europaministerin Cecilia Malmström.

Außer den vielfach genannten Spitzenreitern sind bis Mittwochabend keine glaubwürdigen Rivalen durchgesickert. Das Duo bestehend aus dem belgischen Premier Herman van Rompuy als Ratspräsident und dem früheren italienischen Regierungschef Massimo DAlema als EU-Außenminister liegt, so die Gerüchte, weiterhin vorne. Dass sie die Jobs tatsächlich bekommen, heißt das freilich überhaupt nicht. Schon oft habe ein Überraschungskandidat das Rennen gemacht, sagt Reinfeldt.

Briten laufen Sturm

Gegen Van Rompuy laufen vor allem die Briten Sturm: ein farbloser EU-Föderalist sei er, trommeln die Medien von der Insel seit Tagen. Wenig hilfreich dürfte auch gewesen sein, dass der Belgier unlängst ausführlich über die Notwendigkeit einer EU-Steuer referierte, welche für Großbritannien ein rotes Tuch ist. Und Van Rompuy wäre nicht der erste Belgier, den die Briten abgeschossen hätten. Schon 2004 verhinderten sie Ex-Premier Guy Verhofstadt und 1994 dessen Kollegen Jean-Luc Dehaene als Kommissionspräsidenten. Statt Verhofstadt wurde es der bis dahin außerhalb Portugals völlig unbekannte Jose Manuel Barroso. Zu allem Überfluss ließ die deutsche Botschaft in Brüssel mitteilen, es sei "unzutreffend", dass Berlin Van Rompuy favorisiere.

DAlema wird zwar von den Sozialdemokraten ins Rennen geschickt. Doch auch er hat zahlreiche Hürden auf dem weg zu einer Kür zum EU-Außenminister. So sperren sich einige neue Mitgliedsstaaten hinter Polen hartnäckig gegen den Ex-Kommunisten. Darüber hinaus gilt der Italiener als harscher Kritiker Israels, was die künftigen Beziehungen zu den USA nicht eben erleichtern dürfte. Zu allem Überfluss kann er angeblich kaum Englisch und nicht viel besser Französisch und hat damit wohl nicht das optimale Rüstzeug für den künftigen EU-Chefdiplomaten.

Als mögliche Alternativen zu Van Rompuy kursieren unter anderen der niederländische Premier Peter Balkenende, die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite und mit gewissen Außenseiterchancen Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. Da sich die Sozialdemokraten offensichtlich sehr schwer tun, einen geeigneten Kandidaten für den EU-Außenminister zu finden, wurde zuletzt nicht ausgeschlossen dass die Abmachung "schwarzer Ratspräsident, roter Außenminister" noch kippen könnte.

Dann wären die Karten neu gemischt, selbst Ex-Außenministerin Ursula Plassnik wäre dann womöglich wieder im Rennen um das neue EU-Außenamt. Und der britische Labour-Premier Gordon Brown beharrt ja offiziell immer noch auf einem Ratspräsidenten Tony Blair.