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EU-Topjobs zu vergeben

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Das Tauziehen um die Besetzung von Posten in Spitzengremien der Union wird vor dem morgigen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs heftiger.


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Brüssel. Noch ist vieles offen - und zwar so offen wie selten zuvor. Das räumen selbst erfahrene EU-Beobachter ein. Zwar gehen jeder Besetzung von EU-Spitzenposten heftige Spekulationen voran, jedoch scheint es den Mitgliedstaaten diesmal besonders schwer zu fallen, sich auf das Personalpaket zu einigen. Dabei sah es nach der Meinung eines europäischen Diplomaten noch vor kurzem so aus, als ob auf das monatelange Tauziehen um die Nominierung des künftigen Präsidenten der EU-Kommission eine rasche Fixierung der anderen Kandidaten folgen würde. Auch werden immer wieder Namen in die Debatte um mögliche Bewerber geworfen.

Doch abgesehen von Jean-Claude Juncker als Leiter der Brüsseler Behörde ist noch kein Nachfolger der scheidenden Amtsträger fix. Diese sind etwa EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der unter anderem den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vorsitzt, sowie die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton. Der Belgier und die Britin sind nur noch bis Herbst im Amt. Länger dauert es im Fall von Jeroen Dijsselbloem: Der Niederländer kann noch bis zum kommenden Jahr die Eurogruppe leiten.

Die Besetzung der Topjobs wird im Mittelpunkt des Abendessens am morgigen Mittwoch stehen, zu dem Van Rompuy die Staats- und Regierungschefs nach Brüssel geladen hat. Der künftige Kommissionspräsident wird da schon gewählt sein: Die EU-Parlamentarier stimmen bei ihrer Plenarsitzung in Straßburg heute, Dienstag, über Juncker ab.

Zumindest auf die Bestellung des künftigen EU-Außenbeauftragten wollen sich die Länder einigen. Für diesen Posten wurde beispielsweise der Name der jetzigen EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa ins Spiel gebracht. Die bulgarische Konservative ist in der Behörde für humanitäre Hilfe zuständig. Italien wiederum sähe gerne Außenministerin Federica Mogherini als Repräsentantin der Union in den Außenbeziehungen. Dass sich Juncker allerdings für eine "erfahrene" Person in diesem Job ausgesprochen hat, könnte der relativ jungen Politikerin zu einer Hürde werden.

Gegen die mögliche Kandidatin aus Rom haben aber auch andere Vorbehalte: Einige osteuropäische Staaten, darunter Polen, fürchten eine zu weiche Haltung Italiens gegenüber Russland. Warschau hingegen spricht sich immer wieder für eine härtere Gangart gegenüber dem Kreml aus - was in anderen Hauptstädten weniger goutiert wird. Und was ebenso die mögliche Nominierung des polnischen Außenministers Radoslaw Sikorski schwierig machen würde. Diesen schwächt noch dazu eine Abhöraffäre, die derzeit die Innenpolitik in Polen durcheinanderwirbelt.

Nordeuropäerin oder Osteuropäer?

Sikorski hätte jedoch keine Chancen, wenn Premier Donald Tusk für das Amt des Ratspräsidenten vorgeschlagen wird. Diese Variante haben zuletzt polnische Medien wieder in den Blickpunkt gerückt. Schon vor Monaten galt der Pole, dessen Partei - wie jene Junckers - in der Europäischen Volkspartei vertreten ist, als Anwärter für einen Spitzenposten und so manchem Amtskollegen als guter Kompromisskandidat. Doch Tusk lehnte damals ab: Die Innenpolitik seines Landes interessierte ihn mehr. Die Situation könnte sich aber nun geändert haben, nachdem die Regierung unter dem Abhörskandal leidet.

Öfter wird allerdings der Name einer Sozialdemokratin genannt, wenn es um Van Rompuys Nachfolge geht. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt soll an dem Posten durchaus interessiert sein. Dass ihr Land nicht Mitglied der Eurozone ist, stellt dabei kaum ein Hindernis dar. Als schwerwiegender könnten sich da die Einwände anderer Länder erweisen. So soll es in der französischen Regierung Widerstände gegen die dänische Parteikollegin geben, weil sie Paris zu wirtschaftsliberal erscheint. Das könnte umgekehrt London gefallen.

Britische Namen selbst werden an der Gerüchtebörse unterdessen kaum gehandelt. Stattdessen könnte Großbritannien an einem einflussreichen Posten in der EU-Kommission interessiert sein, der etwa den Bereich Handel, Wettbewerb oder Binnenmarkt umfasst. Doch formell werden die Aufgabengebiete vom Kommissionspräsidenten verteilt. Und wie weit Juncker auf die britischen Wünsche eingeht, ist unklar. Immerhin votierte Premier David Cameron beim letzten Gipfeltreffen gegen die Nominierung des Luxemburgers.

Damit wird die Besetzung der Topjobs zu einem komplexen Puzzle, in das sich viele Teile fügen müssen und bei dem etliche Interessen zu vereinen sind. Kleinere Staaten werden ebenso auf Berücksichtigung pochen wie größere, Anhänger eines strikten Sparkurses ebenso wie Befürworter einer flexiblen Auslegung der Vorgaben für mehr Haushaltsdisziplin. Unterschiedliche Parteienfamilien - sowohl im EU-Parlament als auch in den Mitgliedsländern - gilt es zufriedenzustellen. Ebenfalls sollten in den Spitzengremien Frauen vertreten sein.

Frauen unter Nominierten nur spärlich vertreten

Das bildet aber auch für Juncker ein Problem, der bei der Zusammenstellung der Kommission an die Staaten appelliert, weibliche Politiker nach Brüssel zu schicken. Doch kaum eine Regierung hat bisher eine Frau für den Posten einer Kommissarin nominiert. Österreich ist dabei keine Ausnahme: Der bisherige Kommissar Johannes Hahn soll ebenfalls in der kommenden Legislaturperiode in der Behörde bleiben.