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EU und USA heben ihren Bann gegen Lukaschenko auf

Von Gerhard Lechner

Politik

Sanktionen gegen Weißrussland werden für vier Monate ausgesetzt - geopolitisches Kräftemessen mit dem Kreml.


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Washington/Brüssel/Minsk. Die Isolation vom Westen ist für Alexander Lukaschenko - wenigstens vorübergehend - beendet. Der Bannfluch von EU und USA gegen den weißrussischen Präsidenten, der in westlichen Medien lange als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wurde, wird offenbar still entsorgt. EU und USA haben sich entschieden, die Sanktionen gegen rund 170 Weißrussen für vier Monate - bis Ende Februar - außer Kraft zu setzen. Auch die Maßnahmen gegen Lukaschenko selbst wurden auf Eis gelegt. Dieser wird somit wieder in westliche Länder reisen können. EU und USA gaben zudem die eingefrorenen Konten von weißrussischen Organisationen wieder frei.

Brüssel honoriert mit dem Schritt, dass es im Vorfeld der Wiederwahl Lukaschenkos am 11. Oktober zu weniger Menschenrechtsverletzungen gekommen war. Tatsächlich hatte das Regime im August politische Gefangene freigelassen. Das war allerdings auch vor der vorangegangenen Präsidentenwahl im Jahr 2010 der Fall. Damals ließ Lukaschenko am Wahlabend Proteste gegen ihn von seinen Milizen niederknüppeln. Dass es diesmal friedlich blieb, werteten westliche Politiker als Fortschritt.

Opposition gegen Aufhebung

Die Opposition in Minsk kritisiert die Aufhebung der Sanktionen. Der Westen solle nicht glauben, dass Weißrusslands Führung nun ihre "Hausübungen" erledigen werde, sagte Regimegegner Anatol Ljabedzka. Es werde weitergehen wie bisher. Tatsächlich ist es für Beobachter schwer vorstellbar, dass sich in Minsk irgendetwas fundamental ändern wird.

Ein "Freispruch" für Belarus ist die Maßnahme noch nicht. Anfang 2016 wollen die Mitgliedstaaten entscheiden, ob die Sanktionen dauerhaft aufgehoben werden. Es bleiben auch noch vier Weißrussen auf der Sanktionsliste, denen vorgeworfen wird, für das Verschwinden politischer Gefangener verantwortlich zu sein. Ebenfalls in Kraft bleibt das europäische Embargo zu Waffenlieferungen. US-Außenamtssprecher John Kirby drängte auch - wie die EU - Lukaschenko zu "weiteren positiven Schritten", um die Menschenrechtslage zu verbessern und die Demokratie zu fördern.

Doch nicht die Sorge um Menschenrechte und Demokratie dürfte die Staaten des Westens zur Aufhebung der Strafmaßnahmen veranlasst haben. Vielmehr findet auch auf belarussischem Boden ein geopolitisches Kräftemessen des Westens mit Russland statt - ganz wie in der benachbarten Ukraine.

Angst vor Coup des Kreml

Der Kreml will in dem Land, das Mitglied der von Moskau dominierten Eurasischen Union ist, eine Luftwaffenbasis errichten. Lukaschenko, der schon im Zuge der Ukraine-Krise zunehmende Distanz zum Kreml erkennen ließ, befürchtet Souveränitätsverlust und lehnt das Ansinnen Moskaus ab. Belarussische Politologen unken sogar, dass ein Szenario wie in der Ukraine auch in Weißrussland möglich wäre. Belarus ist deutlich russifizierter als der ukrainische Nachbar. Um einen Coup Moskaus zu verhindern, sucht Lukaschenko, der gute Kontakte nach China pflegt, auch Unterstützung beim Westen. Und EU und USA sind ihrerseits bestrebt, das europäische Land nicht vollständig Russland zu überlassen. Auch Österreich nicht: Bereits zwei Tage nach der Wahl traf eine Wirtschaftsdelegation mit dem zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl mit Lukaschenko zusammen. Kopf lobte Weißrussland, das im Ukraine-Konflikt vermittelte, als Stabilitätsfaktor für die Region. Nur mit dem "erhobenen Zeigefinger" über das Land zu urteilen, bringe nichts.

Tatsächlich gab es an der Politik der Sanktionen gegenüber Belarus immer auch Kritik. Beobachter führen an, dass es absurd sei, dass Weißrussland wegen seiner Demokratiedefizite die Mitgliedschaft im Europarat verwehrt werde, während dort und an anderer Stelle rohstoffreiche, wesentlich repressivere Staaten vom Westen hofiert würden.