Kosovos Premierminister Hashim Thaci hat ernsthafte Probleme. Denn die schwerwiegenden Anschuldigungen des Europaratsberichterstatters Dick Marty kommen für ihn und seine Unterstützer in der EU und den USA zur Unzeit. Für den dringend notwendigen Dialog mit dem ehemaligen Mutterland Serbien verbessert der Verdacht auf schreckliche Gewaltverbrechen die Vertrauensbasis nicht.
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Dabei haben EU und USA den ehemaligen Rebellenführer bisher nach Kräften unterstützt, weil er trotz andauernder Meldungen über grassierende Korruption als Garant für die Stabilität in dieser heikelsten Region des Westbalkans angesehen wurde. Jetzt müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, bei Verdachtsmomenten über die dubiose Vergangenheit des kosovarischen Spitzenpolitikers zu lange weggeschaut zu haben. Schon vor Jahren hatten interne Berichte des deutschen BND ohne Konsequenzen auf Thacis Verwicklung in Auftragsmorde, Drogen- und Waffenhandel hingewiesen. So genau wollten es die Außenpolitiker der EU aber nicht wissen, was er im Krieg und kurz danach genau getrieben hat. Sie agierten offenbar gemäß dem langjährigen inoffiziellen Außenpolitik-Motto der USA: "Er ist zwar ein Böser, aber er ist unser Böser."
Denn es gilt unter Brüsseler Experten als Allgemeinwissen, dass der Premier "eine Art Mafiosi" ist oder zumindest war. Das gilt aber freilich für mehrere Politiker der Region. Und wenig hilfreich für Thacis Image in Brüssel sind auch die schweren Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen vor einer Woche. Voreilig hatte die EU dem Wahlsieger bereits gratuliert und ihn zu einer raschen Regierungsbildung aufgerufen. Dann kippte die kosovarische Wahlkommission selbst die Ergebnisse in fünf Gemeinden im Kernland der Thaci-Partei PDK. Sollte es bis zu den Neuwahlen am 9. Jänner keine Beweise für Martys Vorwürfe geben, ist zu erwarten, dass die PDK als Trotzreaktion noch mehr Stimmen bekommt; und zwar diesmal ohne Betrug.
Sollte sich hingegen tatsächlich durch Beweise belegen lassen, dass Thaci der Kopf einer ultrabrutalen Organhändlerbande war, ist er als Protegé der EU sicherlich nicht mehr tragbar. Frühere Untersuchungen durch die UNO-Sonderverwaltung Unmik und die frühere UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte verliefen aber stets ergebnislos. Daher reagieren EU und USA auch diesmal abwartend, die Reputation des Kosovo und seines intern womöglich gestärkten Premiers wird jedoch weiter beschädigt. Erneut wird das Bild des Kosovo als "Mafiastaat" gezeichnet.
Die Lage für die EU und ihren jüngsten potenziellen Beitrittskandidaten ist verzwickt: Zur Rettung der Lage müsse auch Thaci selbst aktiv an der Aufklärung der Vorwürfe mitarbeiten und nicht nur reflexartig von Verleumdung sprechen, fordert Ulrike Lunacek, EU-Parlamentsberichtserstatterin für den Kosovo. Dazu gehöre auch, seine eigenen Leute aufzufordern, sich zu stellen, wenn sie an Verbrechen beteiligt waren.