Die strittigsten Punkte in der Debatte um die EU-Verfassung bleiben vorerst ungelöst. Ob die EU-Staats- und Regierungschefs Kraft ihres Gewichts bei dem morgigen Gipfeltreffen eine Annäherung in den entscheidenen Fragen erzielen werden können, ist offen.
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Umstritten sind weiter die Neuregelung der EU-Präsidentschaft, die künftige Größe der EU-Kommission und die Gestaltung von Mehrheitsentscheidungen. Der vehementen Forderung Österreichs nach einem stimmberechtigten EU-Kommissar pro Mitgliedsland schloss sich gestern auch der dänische Premier, Anders Fogh Rasmussen, an. "Es ist entscheidend, dass sich alle Mitgliedstaaten gleich behandelt fühlen", sagte Rasmussen nach einer Unterredung mit Kommissionspräsident Romano Prodi in Brüssel. Sollte Dänemark die neue EU-Verfassung per Volksabstimmung ablehnen, werde sein Land aus der Union austreten, hatte Rasmussen jüngst zu verstehen gegeben.
Die Frage, ob und in welchen Mitgliedsländern die Verfassung der Referendumspflicht unterliegt, wird noch diskutiert. Offen ist auch die spanische und polnische Stimmgewichtung im EU-Ministerrat. Laut einem Bericht der spanischen Tageszeitung "El País" beharrt Madrid nun nicht mehr auf einer Beibehaltung der im Nizza-Vertrag festgelegten Regelung - und damit einer Änderung des Konventsentwurfs. Dieser sei als Gesamtkonzept von einem Großteil der EU-Außenminister nicht begriffen worden, übte SPD-EU-Abg. Klaus Hänsch heftige Kritik an der verfassungsgebenden Regierungskonferenz.
Hänsch, ehemals EU-Parlamentspräsident und Mitglied des Konvents, sowie der spanische EVP-EU-Abg. Mendez de Vigo sind die beiden Beobachter des EU-Parlaments in der Regierungskonferenz. Statt eines Gesamtkonzepts mache sich nun "kleinteiliger Pragmatismus" bemerkbar; statt einer Verfassung würde so wieder nur "ein Vertrag" entstehen, monierte Hänsch.
"Kleinteiliger Pragmatismus"
"Geradezu gespenstisch" sei am Montag die Diskussion über den neuen EU-"Außenminister" verlaufen, berichtete Hänsch. In "archaischer Naivität" hätten viele Außenminister darüber gestritten, ob die neue Funktion nun Außenminister, außenpolitischer Repräsentant, hoher Vertreter oder Generalsekretär heißen solle. Beobachter rechnen denn auch damit, dass der Außenpolitik-Beauftragte einfach in die Verfassung übernommen wird.
"Zum Haare raufen" waren die vom Blatt verlesenen Beiträge der Außenminister auch nach Ansicht von Mendez de Vigo. Einzig positiver Punkt sei, dass offenbar der italienische EU-Vorsitz nur über die Institutionen diskutieren und in den anderen Punkte den Entwurf unverändert lassen wolle. Es bestehe aber die "echte Gefahr", dass der Konsens des Konvents wieder in Frage gestellt werde.