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EU-Verfassung muss neu verhandelt werden

Von AnalyseWolfgang Tucek

Europaarchiv

Reflexionsphase bisher ohne Folgen. | Die EU-Staats- und Regierungschefs werden am Freitag die Realitätsverweigerung offiziell verlängern. Die so genannte Reflexionsphase hat bisher nichts gebracht. Der Verfassungsvertrag verharrt im tiefstmöglichen Koma. In seiner derzeitigen Form ist er nicht mehr realisierbar. Das wird in einem Jahr nicht anders sein. Über kurz oder lang führt kein Weg an der Neuverhandlung einer grundlegenden Reform der EU-Strukturen vorbei.


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Und die Zeit drängt. Sicherheitspolitische Entscheidungen werden laufend wegen der notwendigen Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten blockiert. Nach außen vertreten der Hohe Vertreter Javier Solana, Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sowie der Regierungschef des jeweiligen EU-Vorsitzlandes und dessen Außenminister die Union. US-Präsident George W. Bush oder sein russischer Kollege Wladimir Putin haben keine Ahnung, mit wem sie eigentlich sprechen sollen. Und auf Basis des derzeit gültigen Nizza-Vertrags ist nach dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien auch mit der Erweiterung Schluss.

Für all diese Probleme hätte die Verfassung Auswege gewiesen. Unter der Hand machen die Franzosen aber klar, dass sie über den schon einmal abgelehnten Text keinesfalls noch einmal abstimmen können - egal, wer die Regierung führt. Auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssels Idee einer europaweiten Volksabstimmung ist weder neu noch hilfreich. Damit ist er schon beim Verfassungskonvent auf wenig Gegenliebe gestoßen. Und ein neuer Name für das ungeliebte Kind wäre nicht mehr als eine neue Batterie für die Herz-Lungen-Maschine.

Paris schweben aber eher solide Amputationen vor. So soll die Veto-Möglichkeit einzelner Mitglieder in der Justiz- und Sicherheitspolitik auch ohne Verfassung eliminiert, die Vertragselemente sollen etwa auf einen gemeinsamen EU-Außenminister reduziert werden. Unterstützung gibt es dafür von Großbritannien, Polen und Tschechien.

Deutschland befürwortet dagegen nicht nur die Verankerung gemeinsamer Werte sondern stemmt sich mit aller Kraft gegen die mögliche Vorwegnahme von Teilen des Vertragswerks. Dadurch würde der Konsens über die Paketlösung nur weiter hinausgeschoben. Berlin bliebe nur noch, das Dokument endgültig zu begraben, die Realitätsverweigerung erneut zu verlängern - oder endlich den Startschuss für Neuverhandlungen zu geben. Dabei ist genau das der einzige "tragfähige Vorschlag", den Deutschland im Juni 2007 nach den Vorstellungen der EU-Außenminister in Klosterneuburg liefern soll.