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EU-Verfassungskrise: Irland sieht keinen Silberstreif am Horizont

Von Veronika Gasser, Straßburg

Europaarchiv

Der irische Ministerpräsident Bertie Ahern will der Suche nach einem Ausweg aus der EU-Verfassungskrise "höchste Priorität" einräumen. Er zeigte sich jedoch skeptisch, dass unter der Ratspräsidentschaft seines Landes in diesem Halbjahr eine Einigung über die Verfassung erzielt werden kann. Um einen Kompromiss zu erreichen, müsse es auch "von allen ausreichend politischen Willen" dazu geben, so Ahern gestern bei der Präsentation des Programms der irischen Ratspräsidentschaft vor dem Europaparlament in Straßburg.


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Auf unspektakuläre Weise präsentierte gestern vor dem EU-Parlament in Straßburg der irische Ministerpräsident Bertie Ahern das Programm seiner Ratspräsidentschaft. Nur wenige Abgeordnete waren überhaupt gekommen um den Ausführungen des Premiers zu lauschen.

Der Unterschied zum gleichen Ereignis vor einem halben Jahr, als Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi den Ratsvorsitz übernahm, könnte nicht größer sein. Hatte Berlusconi damals damit geprahlt, er werde die Regierungskonferenz und die EU-Verfassung zu einem Abschluss bringen, gibt sich der Ire äußerst zurückhaltend. Zwar gesteht er ein, dass auch in seiner Amtszeit die EU-Verfassung "höchste Priorität" haben wird, doch fast scheint es, als halte Ahern einen positiven Abschluss unter seinem Vorsitz für so gut wie ausgeschlossen. "Ich brauche die Unterstützung aller Institutionen", appelliert er an das Parlament aber auch die EU-Kommission, ihn bei seinen Bemühungen nicht im Stich zu lassen, denn sonst werde die Sache zu einer sehr langwierigen Angelegenheit. "Es ist sinnlos, wenn ich Kompromisse anbiete, die vorher nie auf dem Tisch waren." Auch stellt er klar, dass er keinen Gipfel zur Verfassung um jeden Preis erzwingen wird. Ahern will auf keinen Fall an der EU-Verfassung scheitern und als Verlierer aus dem EU-Amt scheiden. "Wenn keine Einigung in Sicht ist, dann werden wir nicht darauf drängen. Denn ein zweiter Fehlschlag wäre nur schwer zu verkraften."

Langes Tauziehen

Nebenbei lässt der neue EU-Ratsvorsitzende durchblicken, dass es in dieser für die Staaten so essentiellen Frage noch ein längeres Tauziehen geben könnte. Und die jüngsten Entwicklungen scheinen das zu bestätigen: So haben sich gestern Deutschland und Polen bei einem Treffen der jeweiligen Außenminister abermals nicht über die Verfassungsfrage einigen können.

Ahern hält es jetzt für möglich, dass ein Abschluss der Regierungskonferenz erst in einem Jahr gelingt. Auch ist ihm bewusst, dass der Endtext nicht allzu weit vom Konventsentwurf entfernt sein darf, weil sonst das Parlament dagegen ist.

Kommissionspräsident Romano Prodi betonte ebenfalls den hohen Stellenwert der Verfassung. Noch heuer müsse sich eine Einigung abzeichnen, sonst könne es niemand einigen Staaten verwehren, wenn sie eine engere Kooperation suchen würden.

Rückhalt, aber auch Druck, um das Problem voranzutreiben, bekommt Ahern von den Abgeordneten. So stellt der Deutsche Hans-Gert Pöttering als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei klar, dass die Verfassung an erster Stelle stehen muss. Er rät allen Beteiligten - gemeint sind vor allem Polen und Spanien, die sich vehement gegen die doppelte Mehrheit im EU-Ministerrat stemmen, und Deutschland, das diese mit Zähnen und Klauen verteidigt - aufeinander einzugehen. Jede Debatte um "Kerneuropa" werde der Verfassung jedenfalls keinen guten Dienst erweisen, ist sich Pöttering sicher. Denn ein Europa der zwei Geschwindigkeiten werde von den meisten Ländern als Bedrohung empfunden. Ähnlich formuliert es der Vorsitzende der Sozialdemokraten, der Spanier Enrique Baron, der die Verfassung als Aherns wichtigste Aufgabe bezeichnet.

Die Verfassung regelt heikle Fragen wie die Nominierung des Kommissionspräsidenten. Dieser soll nach der EU-Wahl von der stimmenstärksten Partei ernannt werden, auch darin sind sich Pöttering und Baron einig. Ahern zeigt sich einsichtig und verspricht diese "Auffassung des Parlaments ernst zu nehmen".

Für eine mögliche Aufnahme der Türkei will Ahern übrigens keine Termine nennen, dem europäischen Haftbefehl wird der Premier aber großes Augenmerk widmen. "Irland wird eine Konferenz einberufen, um diesen EU-weit durchzusetzen", verspricht er.