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EU verlängert Nervenkrieg um AUA

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek und Karl Leban

Wirtschaft

Pro forma vertiefte Kartellprüfung wegen offener Kernfragen. | Beinharte Auflagen drohen: Die AUA soll massiv - um 15 bis 20 Prozent - schrumpfen. | Brüssel/Wien. Die Rettung der schwer defizitären und hochverschuldeten AUA fordert allen Beteiligten das Äußerste ab. Sogar die EU-Kommission greift nun zu kreativen Methoden.


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Sie hat am Mittwoch zwar pro forma eine vertiefte Prüfung der Fusion mit dem deutschen Airline-Giganten Lufthansa eingeleitet, weil immer noch Kernfragen offen sind. Nach Informationen der "Wiener Zeitung" wird jedoch eine Paket-Lösung mit dem parallel laufenden Genehmigungsverfahren für die 500 Millionen Euro schwere Restrukturierungsbeihilfe der Republik Österreich noch vor dem 31. Juli angestrebt.

Dieser Stichtag ist deshalb so wichtig, weil die Lufthansa ab diesem Datum von ihrem Übernahmeangebot für die AUA zurücktreten könnte. Sie würde das voraussichtlich auch tun - und der Deal wäre geplatzt. Doch soweit will es offenbar niemand kommen lassen.

Feilschen in großem Stil

Vertreter der Lufthansa und der EU-Kommission hatten bis zur letzten Sekunde verhandelt. Von einem Machtkampf zwischen der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes und Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber war die Rede. Auch die Telefone zwischen Wien und Brüssel sollen heißgelaufen sein.

Doch am Ende blieb im wettbewerbsrechtlichen Verfahren nach wie vor offen, wie viele Start- und Landerechte der geplante deutsch-österreichische Verbund auf den Routen Frankfurt-Wien und Genf-Wien abgeben muss. Auf ersterer ist die Lufthansa selbst stark vertreten, bei der zweiten Route operiert auch die Schweizer Lufthansa-Tochter Swiss. Ohne ausreichende Straffung des gemeinsamen Portfolios befürchtet Kroes auf diesen lukrativen Flugverbindungen eine zu dominante Marktposition von Lufthansa zu Lasten der Konkurrenten und der Fluggäste.

Im Fall der Genehmigung der 500-Millionen-Beihilfe schien für Lufthansa nur eine Schrumpfung der AUA um 15 Prozent akzeptabel. Kroes soll hingegen 20 Prozent für angemessen halten, um Wettbewerbsnachteile für Mitbewerber der AUA, die keine Staatshilfen erhalten haben, in einem erträglichen Rahmen zu halten.

Für die Genehmigung der Beihilfe ist zwar eigentlich Verkehrskommissar Antonio Tajani zuständig. Doch weil es um zusammenhängende Entscheidungen (Wettbewerb/Beihilfe) geht, hat auch Kroes ein gewichtiges Wort mitzureden. Um 15 bis 20 Prozent wird die AUA wohl also schrumpfen müssen, damit die EU-Kommission der Übernahme durch die Lufthansa zustimmt.

90 Tage nur als Obergrenze

Dass diese Details bereits vorab durchgesickert sind, habe die Verhandlungen nicht unbedingt erleichtert, hieß es in Brüssel. Kroes soll sehr unerfreut gewesen sein, für ihre kooperative Haltung auch noch Schelte von den Medien zu bekommen. Denn dass die an sich als knallhart bekannte Niederländerin eine vertiefte Prüfung einer Fusion bloß pro forma einleiten wollte (wie jetzt geschehen, um weitere Verhandlungen zu ermöglichen), bedeutete schon ein ziemlich ungewöhnliches Entgegenkommen.

Und dass die für so ein Verfahren angesetzten 90 Tage nur eine Obergrenze sind, betonte gestern, Mittwoch, Kroes Sprecher. "Die Kommission kann ihre Entscheidung viel rascher treffen", sagte er. Die Abwicklung einer vertieften Prüfung innerhalb von zwei bis drei Wochen wäre jedoch ein einsamer Rekord, hieß es bei Insidern hinter vorgehaltener Hand. Üblicherweise würden bei einem solchen Verfahren nämlich alle relevanten Marktteilnehmer, Interessenvertretungen und Behörden eingehend befragt. Und das brauche einfach Zeit.

Kahlschlag beim Personal

Tajani soll in die kommenden Verhandlungen jedenfalls eng eingebunden werden. Er erwarte innerhalb "der nächsten paar Wochen" eine "positive Lösung" des Problems, sagte der italienische Kommissar mit Verweis auf die griechische Fluggesellschaft Olympic Airlines und die Alitalia, wo das ebenfalls gelungen sei.

Bei beiden Fluglinien setzte es jedoch heftige Restrukturierungsauflagen einschließlich eines massiven Personalabbaus, der auch der AUA wohl in keinem Fall erspart bleiben wird. Sollte die rot-weiß-rote Airline gar um ein Fünftel schrumpfen müssen, wären mit einem Schlag bis zu 3000 Jobs weg, wird in Branchenkreisen bereits spekuliert. Zuletzt beschäftigte die AUA im Konzern (Austrian, Lauda Air und Tyrolean) rund 7900 Mitarbeiter.

Zur Person

(kle) Mit ihr ist nicht gut Kirschen essen: Sie gilt als streng, unnachgiebig und zäh. Die Rede ist von Neelie Kroes, die als EU-Wettbewerbskommissarin seit 2004 darüber wacht, dass in Europa keine Monopole entstehen und im Sinne der Konsumenten ausreichend für Wettbewerb gesorgt ist. Von vielen Weltkonzernen wird die resolute Niederländerin geradezu gefürchtet.

Böse Zungen behaupten sogar, die 67-jährige Kroes würde ihre Machtfülle mitunter auch brachial nutzen, wenn es darum geht, bei Fusionen Auflagen zu erteilen, staatliche Beihilfen zu untersagen oder Rekordstrafen für Kartellsünder zu verhängen.

Konzern-Riesen zittern

"Mit der Kroes ist nicht zu spaßen", heißt es in der Wirtschaftswelt. Konzern-Riesen wie Microsoft und Intel haben das wiederholt zu spüren bekommen. Wie man sieht, nimmt Kroes auch den Fall des geplanten AUA-Verkaufs an Lufthansa besonders ernst.

Als junge Frau war sie Stadträtin von Rotterdam, später Mitglied des niederländischen Parlaments und in den 1980er Jahren Verkehrsministerin. Den größten Teil ihrer Karriere hat die promovierte Volkswirtin aber in der freien Wirtschaft gemacht - als Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten.

Siehe auch:

ÖVP: Kritische Phase beim AUA-Verkauf