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EU verschiebt wirtschaftspolitische Reformen auf 2013

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Beschlüsse zur Banken-Abwicklung sollen auf Einigung über Aufsicht folgen.


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Brüssel. Ein bisschen Berufsoptimismus da, ein paar mahnende Worte dort. Bei der Einschätzung der Ergebnisse des letzten EU-Gipfels 2012 gingen die Meinungen auseinander. Während Finnlands Premier Jyrki Katainen die Sitzung "exzellent" nannte und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso überhaupt "eine gute Woche für Europa" zu Ende gehen sah, wollte Österreichs Kanzler Werner Faymann nicht von Entspannung reden. Ähnlich wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wies er darauf hin, dass die Wachstumsaussichten für die EU auch in der nächsten Zeit bescheiden und die Arbeitslosenquoten hoch bleiben würden.

Dennoch standen bei dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs nicht kurzfristige Programme zur Bekämpfung der weiter steigenden Arbeitslosigkeit zur Debatte. Vielmehr sollte es um eine Vision zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion gehen. Und selbst die erscheint nun in einer abgespeckten Version: Es wurde nur ein Teil von den Vorschlägen aufgegriffen, die EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gemeinsam mit den Präsidenten der EU-Kommission, der Eurogruppe und der EZB, Jose Manuel Barroso, Jean-Claude Juncker und Mario Draghi, erarbeitet hatte.

Zuerst die Kontrolle . . .

Auch der Zeitplan bleibt vage. Nachdem die EU-Finanzminister eine Einigung zur Etablierung einer europäischen Bankenaufsicht bis März 2014 erzielt hatten, muss nun auch ein gemeinsamer Mechanismus zur Abwicklung von Banken geschaffen werden. Ebenso ist eine Harmonisierung der nationalen Systeme zur Sicherung von Spareinlagen geplant. Gesetzesentwürfe dazu gibt es bereits; eine Verständigung darauf soll bis Juni 2013 erfolgen. Erst dann nämlich kann die bei der EZB angesiedelte neue Bankenaufsicht marode Unternehmen auch selbst abwickeln. Damit sollen die Kosten dafür den Steuerzahlern künftig erspart bleiben.

Dass das neue Kontrollorgan seine Arbeit aufnimmt, ist ebenfalls eine Voraussetzung für ein weiteres Vorhaben, das vor allem Ländern wie Spanien oder Italien ein Anliegen ist: die direkte Rekapitalisierung von Banken aus Mitteln des Euro-Rettungsschirms ESM. Der rechtliche Rahmen dafür, dass die Finanzspritzen nicht mehr über den jeweiligen Staat umgeleitet werden müssen, sondern direkt an die Unternehmen fließen, soll ebenfalls in den kommenden Monaten fixiert werden.

Offen bleibt hingegen der Fahrplan für weitere Schritte zur wirtschaftspolitischen Integration. Dass dabei Deutschland zurückhaltend agiert, führen Kritiker Merkels auf die Wahlen in ihrem Land 2013 zurück. Allerdings will das auf rigides Haushalten drängende Berlin generell andere Schwerpunkte gesetzt wissen. So hätte es gern - neben dem bereits ausgehandelten Fiskalpakt zu strengerer Budgetdisziplin - Vertragsvereinbarungen zwischen der EU-Kommission und Ländern.

. . . dann das Geld

Diese "sollten entsprechend der Lage der jeweiligen Mitgliedstaaten differenziert werden", heißt es im Abschlussdokument des Gipfels. Durch diese individuellen Absprachen "könnten Eigenverantwortung und Effektivität" gesteigert werden. Und erst wenn ein Land willens ist, seine Pflichten zu erfüllen, könne es aus der Sicht Berlins gewisse - befristete - "finanzielle Anreize" aus einem Solidaritätsfonds geben. Gegen nicht an Bedingungen geknüpfte Ausgleichszahlungen, also ein Eurozonen-Budget, spricht sich Deutschland nach wie vor aus.

Wie eine Finanzierung der möglichen "Anreize" aussehen soll, ist jedoch ebenso offen wie die Einzelheiten zur besseren Koordinierung der Wirtschaftspolitik unter den Staaten. Die nächsten Vorschläge dazu soll Van Rompuy bis zum kommenden Sommer vorlegen. Vier Bereiche hat er dabei laut Gipfel-Erklärung zu berücksichtigen: die Zusammenarbeit bei nationalen Reformen, die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion, die Möglichkeit individueller Vereinbarungen und schließlich "Solidaritätsmechanismen", die die Länder bei ihren Bemühungen unterstützen sollen.

Ebenso langfristig angelegt ist ein weiteres Thema, mit dem sich die Staats- und Regierungschefs im nächsten Jahr beschäftigen müssen. Eine Verständigung darauf ist aber viel schneller nötig. Die Finanzierung der EU bis 2020 muss bald beschlossen werden. Im Februar wird es dazu wohl eine Sondersitzung geben.