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EU verstärkt den Druck auf Berlin

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Frist für Defizitsenkung bis Juli. | Haushaltsminus viertes Mal zu hoch. | Brüssel. Seit 2002 verletzt Deutschland jedes Jahr den Euro-Stabilitätspakt. Es bestehe kein Zweifel, dass das Defizitverfahren nun verschärft werden müsse, sagte Währungskommissar Joaquin Almunia gestern, Mittwoch. Zwar sei das Haushaltsminus laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2005 mit 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) deutlich niedriger ausgefallen als die von Brüssel erwarteten 3,9 Prozent. Auch der Rückgang gegenüber 2004 (3,7 Prozent) sei "eine gute Nachricht, aber nicht genug". Für 2006 werde nämlich erneut ein Minus über dem Referenzwert von drei Prozent erwartet. Daher müsste Berlin jetzt verpflichtet werden, 2007 den Euro-Stabilitätspakt wieder einzuhalten. Almunia will von den Deutschen die Senkung des Defizits von einem Prozent bis Ende nächsten Jahres - und das unabhängig von Konjunktureinflüssen.


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Das plant Berlin auch. So soll das Defizit von 2,5 Prozent 2007 auf 1,5 Prozent bis 2009 abgesenkt werden. Die deutsche Regierung will die Steuerfreibeträge kürzen, die Mehrwertsteuer erhöhen und Sozialausgaben eindämmen. Das sei grundsätzlich der richtige Weg, meinte Almunia. Er verlangt aber einen detaillierten Bericht über die getroffenen Maßnahmen bis Juli. Dann sollen weitere Schritte im Defizitverfahren beschlossen werden - erneute Aussetzung des Verfahrens oder Strafzahlungen.

Rüge auch für Polen

Almunia rechnet damit, dass die EU-Finanzminister die Verschärfung des Verfahrens gegen Deutschland bei ihrem Treffen am 14. März bestätigten. Der deutsche Ressortchef Peer Steinbrück äußerte umgehend Verständnis für den Schritt der Kommission. Aber "mit der Vorlage des Haushaltsentwurfs 2007 im Juli werden wir die Einhaltung des Defizitkriteriums ab 2007 sicherstellen", ließ er per Aussendung wissen. Eine Rüge des Währungskommissars gab es unterdessen auch für Warschau. Das polnische Haushaltsdefizit lag 2005 bei 4,7 Prozent und wird entgegen der Forderung der Kommission voraussichtlich auch 2007 noch über vier Prozent liegen. Polen ist zwar nicht bei der Eurozone. Kommt Warschau jedoch den Forderungen Brüssels nicht nach, könnte die EU in letzter Konsequenz Strukturmittel einbehalten.