Der Europäische Ombudsman hatte in den ersten zehn Jahren seines Bestehens (1995-2005) 20.000 Beschwerden zu bearbeiten. 2006 kamen 3830 weitere hinzu. | Mangelnde Transparenz, Verweigerung von Informationen und Machtmissbrauch: Die Beschwerdeliste des Europäischen Bürgerbeauftragten (BBA) ist lang.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Seit 2006 sind dem Griechen Nikiforos Diamandouros insgesamt 3830 Beschwerden von Unionsbürgern, Unternehmen, Verbänden und Interessensgruppen eingegangen. Das entspricht einem Rückgang um zwei Prozent im Vergleich zu 2005 und ergibt pro Monat einen Schnitt von 320 Beschwerden.
Der BBA, auch "Europäischer Ombudsman" genannt, ist formell ein Hilfsorgan des Europäischen Parlaments (EP) und wird von diesem nach seiner jeweiligen Wahl für die fünfjährige Dauer der Wahlperiode ernannt. Er ist befugt, nicht nur von jedem Unionsbürger sondern auch von jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnort oder Sitz in einem EU-Mitgliedstaat Beschwerden über Missstände bei der Tätigkeit der EU-Organe oder Institutionen entgegenzunehmen.
Ausgenommen sind der Gerichtshof, das Gericht erster Instanz und das Gericht für den öffentlichen Dienst in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse. Bei den Missständen muss es sich um Missstände in der Verwaltungstätigkeit und nicht um mit Nichtigkeit bedrohte Fehler handeln. Denn solche sind mit einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG-Vertrag anzufechten.
Jährlicher Bericht
Erweist sich die Beschwerde an den BBA als zulässig, dann wird sie an das betreffende Organ geschickt. Dieses muss innerhalb von drei Monaten seine Stellungnahme dazu übermitteln. Der BBA legt anschließend dem EP und dem betreffenden Organ einen Bericht vor und unterrichtet auch den Beschwerdeführer über das Ergebnis seiner Untersuchung. Über die Ergebnisse seiner Untersuchungen muss er dem EP jährlich einen Bericht vorlegen.
Mitte März 2007 präsentierte Diamandouros seinen nunmehr vierten Rechenschaftsbericht für das Jahr 2006:
3619 Beschwerden kamen von natürlichen Personen und nur 211 von Unternehmen oder Vereinigungen. Dieser Umstand veranlasste den BBA, seine Bemühungen zu verstärken, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Einrichtungen besser über seine Dienste zu informieren. Drei Viertel der Beschwerden waren unzulässig, sodass sich der BBA nur mehr mit 582 Untersuchungen befasste, von denen neun von ihm aus eigener Initiative betrieben wurden.
Zwei Drittel der Untersuchungen betrafen die Kommission, gefolgt vom Europäischen Amt für Personalauswahl, dem EP und dem Rat.
Zu den Hauptvorwürfen gehörten mangelnde Transparenz oder Verweigerung von Informationen mit einem Viertel der Angaben, Ungerechtigkeit oder Machtmissbrauch, Verfahrensfehler, vermeidbare Verzögerungen, Diskriminierung und Nachlässigkeit. Die meisten Beschwerden, nämlich 20 Prozent, wurden aus Spanien eingereicht. Insgesamt 64 Fälle wurden nach der Beschwerde beim BBA durch die betroffene Institution beigelegt. In 95 Fällen ergab die Untersuchung keinen Verwaltungsmissstand. In 41 Fällen verfasste der BBA eine "kritische Anmerkung", die normalerweise dann gemacht wird, wenn es nicht mehr möglich ist, den Verwaltungsmissstand zu beseitigen.
Bei sehr schweren Missständen, die noch beseitigt werden können, kann der BBA einen Empfehlungsentwurf verfassen.
Die schärfste Waffe des BBA ist ein Sonderbericht an das EP. Im Berichtszeitraum wurden zwei Sonderberichte eingebracht, die die Sprachenwahl auf den Internetseiten der EU-Präsidentschaften und die Verfolgung von Vertragsverletzungen durch die Kommission betrafen.