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EU vor Handelskrieg an zwei Fronten

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Europaarchiv

Handelskommissar Peter Mandelson hat alle Hände voll zu tun. Zuerst nahm China eine harte Haltung im Textilstreit ein. Nun muss die EU im milliardenschweren Streit um die Subventionierung der Flugzeughersteller Airbus und Boeing gegen die USA vor einem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO antreten.


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"Wir stehen vor dem größten, schwierigsten und teuersten Rechtsstreit in der Geschichte der WTO", verkündete Mandelson am Dienstag. Man werde die völlig unverhältnismäßige Subventionierung des neuen Boeing 787 Dreamliners bei einem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation einklagen. Zwar bedauere er, dass "die USA den Weg der Konfrontation gewählt" haben. Aber "Europa ist vorbereitet", gab sich der Kommissar kämpferisch. Diesen neuen Tönen war die Ankündigung der USA voraus gegangen, ihrerseits vor die WTO zu ziehen.

Dabei schien bis Ende letzter Woche alles auf eine Beruhigung der Lage hinauszulaufen. Einerseits hatte China angeboten, seine Textilausfuhren zu drosseln. Auf der anderen Seite wollte die EU-Kommission mit einem Angebot zur Reduzierung der Subventionen des europäischen Flugzeugherstellers Airbus um 30 Prozent den USA im schwelenden Streit mit dem Konkurrenten Boeing entgegenkommen. Dann überschlugen sich die Ereignisse. China kündigte am Montag Zusagen auf. Und der US-Handelsbeauftragte Robert Portman sah plötzlich keinen anderen Ausweg mehr als die WTO. Grund dafür seien neue EU-Pläne für Airbus-Starthilfekredite in der Höhe von 1,7 Mrd. Dollar (1,36 Mrd. Euro). Dabei wäre ein Einfrieren der Hilfszahlungen vereinbart.

"Ich bin zuversichtlich, dass die Airbus-Subventionen den WTO-Regeln entsprechen", erklärte Mandelson - ganz im Gegensatz zu den Förderungen für Boeing. Die Beweise seien eindeutig. Mit mehr als 29 Mrd. Dollar (23,3 Mrd. Euro) sei die Entwicklung der Boeing 787 seit 1992 gefördert worden. Der größte Brocken von 20 Mrd. Dollar (16 Mrd. Euro) laufe über die NASA und das Pentagon. Die jährlichen staatlichen Förderungen von 200 Mio. Dollar (160,4 Mio. Euro) seien bereits zwei Mal von der WTO verurteilt worden.

Airbus habe im gleichen Zeitraum lediglich 3,7 Mrd. Dollar (3 Mrd. Euro) Startkredite erhalten. "Boeing hat einfach Angst vor Konkurrenz", sagte Mandelson. Trotz der zugespitzten Situation halten er und Portman eine Verhandlungslösung weiter für nicht ausgeschlossen.

Mit einem ähnlich harten Verhandlungspartner hat es Mandelson in China zu tun. Man werde weder zusätzliche Exportzölle für 74 umstrittene Textilprodukte aufheben, noch die für 81 weitere Kategorien aufrecht erhalten, hieß es aus Peking. Chinas Handelsminister Bo Xilai schloss auch nicht aus, seinerseits die WTO anzurufen. Damit hatte auch die EU China gedroht, als sie Mitte Mai massiven Schaden für die europäische Textilindustrie durch bis zu 400 Prozent gestiegene Importe festgestellt hatte.