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EU vor Mini-Revolution

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Während also die Welt gespannt nach Libyen blickt, schauen in den 27 EU-Regierungssitzen viele Mitarbeiter in Papiere. Denn die Staatschefs haben sich verständigt, einen "Wettbewerbspakt" abzuschließen, der die Wirtschaftspolitik in Europa stärker koordinieren soll.


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Das wäre dringend notwendig, doch nun wird diskutiert, wie das funktionieren solle. Und da gibt es einen deutlichen Graben zwischen den konservativen und den sozialdemokratischen Regierungschefs. Während die Konservativen eine größere Lohnflexibilität fordern und die Pensionssysteme im Auge haben, wollen die Sozialdemokraten eine Anhebung niedriger Körperschaftssteuern (wie in Irland) und die Möglichkeit einer gemeinsamen Schuldenfinanzierung.

Die Konservativen legten in diesem Spiel vor, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy präsentierten ein gemeinsames Papier. Mit dem sie mittlerweile nicht mehr glücklich sein dürften. Denn die deutsche Kanzlerin hat von der CDU/FDP-Mehrheit im deutschen Bundestag ein enges Verhandlungskorsett für die EU-Gespräche erhalten. Und die Sozialdemokraten sind erbost, sprechen von "unannehmbaren" Vorschlägen. Kommenden Freitag treffen einander die "linken" Regierungschefs in Athen, die "rechten" in Helsinki. Das ist kein besonders vielversprechender Auftakt für den eine Woche später geplanten EU-Gipfel zum Thema. Die beiden Fraktionen werden sich vermutlich tendenziell eingraben, was eine spätere Einigung schwierig macht.

Ausgerechnet dem als nicht sehr EU-interessiert verschrieenen österreichischen Kanzler Werner Faymann kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Griechenland, Portugal und Spanien sind zwar sozialdemokratisch regiert, deren enorme Schuldenprobleme machen die Regierungschefs aber eher unglaubwürdig. Österreich dagegen hat gute Wirtschaftsdaten, Faymann gehörte zu den ersten, die den Merkel/Sarkozy-Vorschlag ablehnten. Denn die EU plant mit diesem "Wettbewerbspakt" eine Mini-Revolution. Sozialpolitik war bisher eine nationale Domäne, jedes EU-Land verbat sich Einmischung. Das soll nun plötzlich in relativ kurzer Zeit geändert werden, um den Euro dauerhaft abzusichern. Ob das in der jetzigen Zeit sinnvoll ist, sei dahingestellt. Denn die arabische Revolution fegt wieder einmal alle Sicherheiten vom Tisch . . .