Zum Hauptinhalt springen

EU vor Sanktionen zurückgeschreckt

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Gusenbauers "kritischer Dialog" EU-Linie. | Keiner will schuld an Krieg sein. | Brüssel.Die Situation ist ernst. Das demonstrierte die EU mit dem ersten Sondertreffen ihrer Staats- und Regierungschefs seit den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001. Diesmal sollte ein klares Signal an Russland gesendet werden, dass die Union mit dem massiven militärischen Einmarsch in Georgien nicht einverstanden ist. Unmittelbare Sanktionen sollten vorerst noch nicht beschlossen werden, wie aus den Entwürfen der Gipfelbeschlüsse hervorging. Einige Länder hatten Strafmaßnahmen verlangt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nun sollte die Anerkennung von Süd-Ossetien und Abchasien als unabhängige Staaten durch Moskau ebenso verurteilt werden, wie Russlands "überzogene Reaktion auf den Konflikt in Georgien". Damit dürfte sich vorerst eine Gruppe von etwa zwölf Ländern - darunter Deutschland und Österreich - durchgesetzt haben, die zur Vorsicht vor Drohgebärden gegenüber Moskau aufgerufen hat.

Der Gesprächsfaden dürfe nicht abreißen, meinte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Ihr österreichischer Kollege Alfred Gusenbauer fand, es sei wichtig, einen "kritischen Dialog" aufrecht zu erhalten. So wollten die EU-Politiker vor allem auf die Umsetzung eines Mitte August ausgehandelten Friedensplans pochen. Darüber hinaus soll ein EU-Sonderberichterstatter ernannt werden. Auch eine zivile EU-Erkundungsmission von bis zu 100 Mann könnte entsandt werden, erklärte EU-Chefdiplomat Javier Solana. Bis Mitte September sollen die Details geklärt sein.

Kein Gesprächsabbruch

Georgien wollten die EU-Staats- und Regierungschefs humanitäre und wirtschaftliche Hilfe zusagen. Rund sechs Millionen Euro EU-Mittel und weitere acht Millionen aus den Mitgliedsstaaten liegen bereit.

Großbritannien, Schweden und einige neue Mitglieder im Osten hatten sich vergeblich für den Abbruch von Verhandlungen mit Russland ausgesprochen - etwa über ein neues Partnerschaftsabkommen oder Visaerleichterungen für Russen. Immerhin soll die Lage bis zum EU-Russland-Gipfel Mitte November neu bewertet werden.

Moskau und Georgien ergingen sich unterdessen in Schuldzuweisungen für den Fünf-Tages-Krieg: Während der Einmarsch der georgischen Armee in Süd-Ossetien auch von den Verbündeten der Georgier zumindest als "Fehler" bezeichnet wird, sprach Reintegrationsminister Temuri Jakobaschwili von einer "Wahl", die Tiflis zu treffen hatte: Schwere Artillerie hätten die Russen bereits vor dem 7. August in die abtrünnige Provinz verlegt, georgische Dorfbewohner seien drangsaliert worden. Der russische EU-Botschafter Wladimir Tschisow hielt dagegen, dass eines der ersten Ziele der georgischen Artillerie just die Unterkunft der russischen Friedenstruppen gewesen sei. Russland habe reagieren müssen.

Schon im Vorfeld des EU-Sondergipfels hatte Tiflis indes seine Gangart gegenüber Russland verschärft. Visa für die Einreise nach Georgien sollen russische Bürger künftig nur noch in georgischen Botschaften erhalten. Erschwert wir das dadurch, dass sämtliche georgische Diplomaten aus Russland abgezogen wurden. Auch das Personal der russischen Botschaft in Tiflis wurde aufgefordert, das Land zu verlassen.