Wahlkämpfe für das Europaparlament sind Mobilisierungswahlkämpfe. Das Neutralitätsthema war zwar ein wichtiger Faktor zur Mobilisierung der Wähler, reicht aber nicht aus, um den Ausgang der EU- | Wahl vom vergangenen Sonntag zu erklären. Auch das Protestpotential konnte nicht gewonnen werden. Das zeigen die fast drei Millionen Nichtwähler. Zu diesem Schluß kamen die Politologen Fritz Plasser, | Peter Ulram und Franz Sommer vom Fessel-GfK-Institut am Motag in einer "Analyse der Europawahl 1999".
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"Die Europawahl 1999 war nach den vorliegenden Daten weder eine Richtungswahl noch eine Protestwahl", heißt es in der Analyse. Und sie sei auch keine Vorentscheidung für den Nationalratswahlkampf,
der mit schärferen Argumenten und einer breiteren Themenpalette geführt werden wird.
Das Thema Neutralität und NATO habe zwar unverkennbar Wirkung gezeigt. Es sei von der SPÖ professionell zu einer Mobilisierung eingesetzt worden, sagte Plasser. Damit sei der Zweck erfüllt worden,
die SPÖ an die ertste Position zu bringen, es sei aber dennoch kein flächendeckendes Motiv gewesen , und "es war aucvh kein Plebiszit über die Neutralität".
Es habe zwar jeder sechste SPÖ-Wähler (17 Prozent) seine Wahlentscheidung vorrangig mit der Neutralitätsposition der SPÖ begründet, es wäre aber zu einfach, das Ergebnis ausschließlich auf dieses
Thema zurückzuführen. Denn für 48 Prozent der SPÖ-Wähler waren Traditionsmotive entscheidend, nur 12 Prozent haben Spitzenkandidat Martin als entscheidendes Motiv genannt. Auch der enorme Einsatz des
Bundeskanzlers wurde nur "moderat" gewürdig: 5 Prozent annten ihn als Motiv.
Bei der ÖVP zeichnet sich ein ganz anderes Bild. Auch hier liege zwar das Traditionsmotiv mit 43 Prozent an der Spoitze, allerdings hätten 35 Prozent der ÖVP-Wähler die Attraktivität und die
Glaubwürdigkeit von Spitzenkandidatin Stenzel angesprochen.
Ähnlich personalisiert stelle sich nur die Wahlmotivation der Grünen-Wähler dar, von denen sich 28 Prozent vorrangig wegen Voggenhubers Erscheinungsbild und Argumentationslinien für die Grünen
entschieden haben. Noch stärker als bei der SPÖ wurde von den Wählern der Grünen mit 21 Prozent der Faktor Neutralität und NATO als Wahlmotiv betont. Darin sieht Plasser einen Einfluß der
außergewöhnlich stark anzentuierten Neutralitätsdiskussion durch die SPÖ, die Grünen hätten davon einen Teil lukrieren könne.
Die FPÖ wieder habe ihr Protestpotential nicht mobilisieren können, wiewohl bei den FPÖ-Wählern als Hauptmotiv mit 26 Prozent Regierungsunzufriedenheit genannt wurde, zweitstärkstes Motiv für die FPÖ
war bereits Tradition mit 16 Prozent.
Hinsichtlich der im Vergleich zur ersten EU-Wahl 1996 stark gesunkenen Wahlbeteiligung hielt Ulram die geänderte Ausgangslage für einen Grund. Die jüngste EU-Wahl sei deutlich weniger eine
innenpolitisch aufgeladene Protestwahl gewesen wie 1996. Das Desinteresse der Nichtwähler sei mehr politisch als unpolitisch gewesen. So hätten 21 Prozent der Befragten "spontan Ablehnung bzw.
Skepsis gegenüber der EU" zu Protokoll gegeben. Ebenso viele gaben "kein Interesse für die EU" an. 19 Prozent hätten aus "Zeitmangel, Krankheit oder Verhinderung" auf den Urnengang verzichtet. Was
die Struktur der Nichtwähler betrifft, haben die Frauen einen deutlich höheren Anteil (55 Prozent) als Männer. Die oberste Bildungsschicht ist unter den Nichtwählern mit 28% schwächer vertreten als
unter den Wählern (34 Prozent). Die größte Gruppe unter den Nichtwählern stellten die Anhänger der SPÖ (25 Prozent), fast enbensoviele Anhänger der FPÖ (21 Prozent) und deutlich weniger Anhänger der
ÖVP (14 Prozent).