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EU warnt vor Kollaps bei Pensionen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Anpassung der Arbeitzeit an Lebenserwartung. | EU-Kommission empfiehlt: Maximal ein Drittel der Lebenszeit in Pension. | Brüssel. Die Alterung der Gesellschaft in den EU-Ländern geht noch rasanter voran als bisher angenommen. Die Europäer müssen daher künftig länger arbeiten und später in Pension gehen, damit die Pensionssysteme weiter richtig funktionieren können.


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Das ist eine Kernaussage im Entwurf eines Konsultationspapiers für "angemessene, nachhaltige und sichere Pensionen", das der "Wiener Zeitung" vorliegt. Das Dokument will die EU-Kommission noch vor der Sommerpause präsentieren. Sie lädt zwar nur Interessensvertreter wie Gewerkschaften, Industrieverbände und Mitgliedstaaten zur Stellungnahme ein. Die EU-Strategen lassen aber keinen Zweifel daran, wohin der Weg gehen soll.

Denn bereits heute kommen laut Kommission nur noch drei Erwerbstätige auf einen Pensionisten. Im Jahr 2030 wären es nur noch zwei, und 2060 müssten drei Arbeitnehmer vier Pensionisten erhalten. "Schon heute verbringen die Menschen im EU-Schnitt rund ein Drittel ihres Lebens in Pension", heißt es in dem Papier. Dieser Anteil wird wegen höherer Lebenserwartung noch ansteigen.

Auch angesichts der schweren Staatsschuldenkrise sei eine Aufrechterhaltung halbwegs angemessener Pensionen ohne tiefgreifende Reformen nicht mehr finanzierbar. "Eine schmerzhafte Kombination aus geringeren Pensionen und höheren Beiträgen wäre unvermeidlich", wenn der Trend nicht gestoppt werde. Eine "vielversprechende Strategie" sei daher, das Pensionseintrittsalter in der EU entsprechend der steigenden Lebenserwartung automatisch anzuheben. Diese werde bis 2060 um sieben Jahre ansteigen, was wohl ein Pensionsalter von rund 70 Jahren zur Folge hätte.

Union hinkt hinterher

Das ist weit entfernt vom tatsächlichen Pensionsalter heute: Laut Kommission sind das im EU-Schnitt 61,4 Jahre. Damit liegt die Union unter dem OECD-Schnitt, der bei 63,5 Jahren für Männer und 62,3 Jahren für Frauen liegt. Spitzenreiter sind Südkorea und Japan mit 71,2 und 69,5 Jahren. Die Österreicher scheiden mit 58,9 Jahren hinter Frankreich mit 58,7 Jahren am zweitfrühesten aus dem Arbeitsleben aus.

Die Kommission anerkennt in ihren Unterlagen zwar an, dass die meisten EU-Länder in den letzten Jahren bereits Reformen angestoßen haben. So wurde in Österreich eine Art automatische Anpassung der Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung auf den Weg gebracht. Doch ist die Schere zwischen dem gesetzlichen und dem tatsächlichen Pensionsalter in vielen Ländern weiterhin ziemlich groß.

Ein wichtiger Hebel seien daher Anreize für ältere Menschen, im Arbeitsleben zu verbleiben, heißt es in dem Papier. Denn weiterhin geht nur rund die Hälfte der Über-60-Jährigen noch einer Beschäftigung nach. Frühpensionen müssten möglichst unattraktiv sein. Dabei gelte als gemeinsame EU-Vorgabe 65 Jahre.

Die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner warnt indes davor, in erster Linie beim Pensionsantrittsalter anzusetzen. Besser sollten die Beschäftigungsquote bei Frauen erhöht und "das Thema Zuwanderung mutiger angegangen" werden, sagte sie zur "Wiener Zeitung". Der Druck auf 50- bis 55-jährige Arbeitslose, wieder einen Job zu finden, wachse und könnte auch die Löhne drücken.

Die Gewerkschaften verlangten daher vor der Anhebung des Pensionsalters vor allem neue Jobs und Gleitpensionsmodelle. "Denn es kann nicht sein, dass auf der anderen Seite junge, gesunde und gut ausgebildete Leute nicht in den Arbeitsmarkt hineinkommen", findet Regner.